Die Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft (ÖBR) ist als gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaft die Vertretungskörperschaft für die in Österreich lebenden Buddhisten. Die ÖBR hat mehr als 3.000 Mitglieder. Präsident ist Gerhard Weissgrab.[1]
Der Buddhismus in Österreich geht bis um 1900 zurück; seit den 1920er Jahren ist er institutionell ansässig (Buddhistische Gesellschaft Wien, 1949 wiederbegründet). 1974 begannen langjährige Bemühungen um eine staatliche Anerkennung. 1977 wurde die Österreichische Buddhistische Union (ÖBU), als Zusammenschluss von kleinen privaten Kreisen,[2] insbesondere aus Wien und Salzburg, gegründet. Die 1970er der Ära Kreisky waren geprägt von staatlichen Bedenken gegen das Sektenwesen, in das der Buddhismus etwa durch die Hare-Krishna-Bewegung hineingezogen wurde.[3] Das Kultusamt forderte 1978 ein – heute verschollenes – „Religionsbekenntnis“ und eine „Andachtsordnung“, 1982 ein Statut für den Dachverband, und zuletzt eine eidesstattliche Absichtserklärung, im Fall einer Anerkennung der neuen Glaubensgemeinschaft beizutreten, von zumindest 1000 Personen.[3] Nach neunjährigen Verzögerungen kam es dann zu einer Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof.[3]
Am 12. Februar 1983 wurde schlussendlich die Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft (ÖBR) gegründet und ihr der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zuerkannt, und damit der Buddhismus gesetzlich anerkannt.
Als einzige Vertretungsorganisation für den Buddhismus versteht sich diese Institution als „Sammlung aller sich zum Buddhismus bekennenden in Österreich lebenden In- und Ausländer“,[4][5] und Plattform „der regionalen Repräsentanten und aller unterschiedlichen Wege und Traditionen der buddhistische Praxis“,[6] sodass die ÖBR die Repräsentanz dieser Weltreligion in Österreich darstellt. Es gibt aber einige Gruppen, die keine Mitglieder bei der ÖBR sind.[7]
Die ÖBR verzeichnet mehr als 3000 Personen als Mitglieder.[8]
Bei der letzten Volkszählung, bei der die Religionszugehörigkeit noch erfasst wurde, 2001, bekannten sich 10.402 Menschen zum Buddhismus. Neuere Zahlen sind nicht genau bekannt, die ÖBR – die aufgrund des Verzichtes, eine Form von Kirchenbeitrag zu erheben, selbst keine exakten Zahlen hat – schätzte 2008 die Zahl der „dem Buddhismus ernsthaft Nahestehenden“ auf etwa 20.000 Menschen.[9][10]
Obschon der Gutteil der beteiligten Gemeinschaften den tibetischen Vajrayana-Buddhismus vertritt, wird die Kooperation in öffentlichen Angelegenheiten als musterhaft beurteilt.[11]
Von Aufspaltungstendenzen aufgrund der geopolitischen Lage oder Spannungen in den Herkunftsländern ist – wie beispielsweise auch der Islam in Österreich – die buddhistische Religionsgemeinschaft ebenso bedroht. Die im Kontext der Tibet-Frage hochpolitische Problematik doppelter Linienhalter hat dazu geführt, dass insbesondere die Karma-Kagyü-Schule des Karmapa mit mehreren Gemeinschaften vertreten ist. Die vom Dalai Lama aufgeworfene primär theologische Frage der Shugden-Verehrung innerhalb der Gelug-Schule (Ganden-Tradition) ist der Grund, dass das einzige buddhistische Kloster in Österreich, der Letzehof in Vorarlberg, dem Dachverband nicht angehört.[12]
Im interreligiösen Dialog spielt der Verein eine durchaus angesehene Rolle.[13] Eine staatskirchenrechtliche Sonderstellung nimmt der Buddhismus insofern ein, als er (2014) die einzige der 14 anerkannten Kirchen oder Religionsgesellschaften ist, die nicht zu den Offenbarungsreligionen (Christentum, Islam, Judentum) gehört, sondern eine Erkenntnisreligion ist, also den Gottesbegriff vermeidet.[14] Europaweit beachtet wird die Organisation auch darum, weil sie die erste anerkannte und damit gesetzlich verfasste[4] buddhistische Organisation Europas war (1998 folgte Portugal, 2000 Italien).[15]
Organisation
Trägerschaft und Leitungsorgane
Getragen wird die ÖBR von ihren Mitgliedsgemeinschaften, darunter buddhistische Orden, Gruppen, Zentren und andere Einrichtungen.
Mitglied der ÖBR kann jede Person werden, die keiner anderen anerkannten Religionsgemeinschaft in Österreich angehört. Buddhist wird man offiziell durch die Mitteilung der Dreifachen Zufluchtnahme an die ÖBR.
Sangharat: Die Vertreter dieser Mitgliedsgemeinschaften (Vertreter der buddhistischen Gemeinden, Orden, Dharmagruppen, Anstalten und Stiftungen, ca. 20) kommen mindestens viermal im Jahr im Sangharat, einem Zentralrat, zusammen, um anstehende Fragen zu besprechen und Entscheidungen zu beschließen. Er ist das größte entscheidungsbefugte Organ, hier hat jede Mitgliedsorganisation, sowie das Präsidium des ÖBG eine Stimme.
Präsidium: Geführt wird die ÖBR von einem vierköpfigen Präsidium, das alle 5 Jahre von den Mitgliedern gewählt wird. Präsident seit 2006 ist der Wiener Gerhard Weißgrab.
Gemeindeversammlung der Buddhistischen Gemeinden: Für die Betreuung der Mitglieder ist die Buddhistische Gemeinde Österreich zuständig. Die Gemeindeversammlung vertritt die regionalen Gemeinden, die alle Mitglieder der Religionsgesellschaft, die in der jeweiligen Region ihren ordentlichen Wohnsitz haben, umfasst. Auch deren Führungsgremium von drei Personen wird von den Mitgliedern gewählt. Die Mitgliederversammlung aller Buddhistischen Gemeinden (Vollversammlung) tritt bei Verfassungsänderungen und der Präsidiumswahl zusammen.
Daneben gibt es ein Schiedsgericht, das als letzte Instanz bei Aberkennung von Rechten innerhalb der Gesellschaft angerufen werden kann.
Die ÖBR erhebt keine Kirchensteuer, sondern finanziert sich nach buddhistischer Tradition aus Spenden (Dāna).
Ord … Orden – religiöse buddhistische Gemeinschaften innerhalb einer authentischen Lehr- und Übungstradition
Dha … Dharmagruppe – religiöse buddhistische Gemeinschaften, die aufgrund der besonderen kulturellen Situation des europäischen Menschen entstanden sind
Sti … Stiftung – zweckgebundenes Vermögen
Ans … Anstalt – Stiftungen mit Sachvermögen für das Werk[17]
Quellen: buddhismus-austria.at → Gruppen; ÖBG: Buddhismus in Österreich (2013); BKA: Religionsbericht (2014);[2] Stand der Liste 6/2014
Aktivitäten
Die gesetzliche Anerkennung bringt eine Reihe von Vorrechten für die Religionsgemeinschaft, wie etwa die Möglichkeit der Erteilung von konfessionellem Religionsunterricht an öffentlichen Schulen, Seelsorge in Justiz- und Krankenanstalten, erleichterte Visaerteilung für Mönche und Nonnen aus dem Ausland.
Die ÖBR ist zuständig für den buddhistischen Religionsunterricht, Vertretung bei interreligiösen Gremien und Veranstaltung von Kursen und Zeremonien sowie Betreiben des buddhistischen Friedhofes in Wien.[6]
Der Religionsunterricht in Österreich begann im Schuljahr 1993/94. Er findet durchwegs schul- und schulstufenübergreifend nachmittags statt und ist ebenso für alle Strömungen des Buddhismus angelegt wie die ganze Religionsgesellschaft. Es nehmen mehr als 200 Schüler[26] in insgesamt 19 Gruppen teil; diese verteilen sich auf sechs Bundesländer (es fehlen Niederösterreich, Burgenland und Vorarlberg).[27] Die Aus- und Fortbildung der Religionslehrer fand meistens in Salzburg statt; in Hinkunft wird sie im Rahmen der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems stattfinden.[28]
Der Verein Mobiles Hospiz der ÖBR[L 40] ist in der Alterspflege und Sterbebegleitung, ungeachtet der religiösen Ausrichtung und Herkunft, tätig, zu Hause und auch in stationären Einrichtungen.
Außerdem publiziert die ÖBG das Magazin Buddhismus in Österreich sowie das ÖBR Jahrbuch und den regelmäßigen ÖBR Newsletter.[6]
Am 23. Februar 2008 feierten die österreichischen Buddhisten den 25. Jahrestag der Anerkennung in einem Festakt an der Universität Wien im Beisein der zuständigen Bundesministerin Claudia Schmied gemeinsam mit hochrangigen Vertretern anderer Religionsgemeinschaften.
Die Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft veranstaltete am 23. und 24. Oktober 2009 ein Herbstsymposium im Billrothhaus Wien.[29] Das Thema der Tagung lautete Wege in ein neues Paradigma – Heilung von leidbringenden Entwicklungen.[29][30]
↑ abc
Bundeskanzleramt (Hrsg.): Religionen in Österreich. Übersicht der in Österreich anerkannten Glaubensgemeinschaften. Bundespressedienst, Wien 2014, 2.13 Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft, S.54–56 (pdf [abgerufen am 18. Juni 2014] redaktionell bearbeitete Eigendarstellung).
↑Zitat Bundeskanzleramt (Hrsg.): Religionen in Österreich. 2014, S.55, Sp.2.
↑ abcdiverse Formulierungen wörtlich zitiert und zusammengestellt aus Programm (Memento vom 29. Juni 2014 im Internet Archive), buddhismus-austria.at, abgerufen am 2. Juli 2014.
↑W. Schandor: Eine Religion auf leisen Sohlen. In: Wiener Zeitung, 23. Februar 2008.
↑Zur Schätzung vgl. auch Gerhard Weißgrab, Präsident der Religionsgesellschaft, im Interview, „Immer mehr suchen Antworten“ (Memento vom 14. Juli 2014 im Internet Archive), Nina Brnada, in Wiener Zeitung (wiedergegeben auf ninabrnada.com, 22. Februar 2013), zur Frage „Wie viele Buddhisten leben derzeit in Österreich?“
↑vgl. etwa Festrede Stadtrat Christian Oxonitsch, zur Verleihung des Goldenen Verdienstzeichen des Landes Wien für Eva Maria Zoepnek-Twardowski, Vizepräsidentin der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft, in Wien: Verdienstzeichen für vier engagierte WienerInnen. Archivmeldung der Rathauskorrespondenz, 16. März 2011: Tagesübersicht, wien.gv.at.
↑Gerhard Weißgrab, Präsident der Religionsgesellschaft, im Interview, „Immer mehr suchen Antworten“ (Memento vom 14. Juli 2014 im Internet Archive), Nina Brnada, in Wiener Zeitung (wiedergegeben auf ninabrnada.com, 22. Februar 2013), zur Frage „Wie gut funktioniert der Dialog der 14 Religionsgemeinschaften, die in Österreich anerkannt sind, untereinander?“
↑So ist es beispielsweise ein Anliegen, eine Assoziation von „Religion“ und „Gott“ in Gesetzestexten zu vermeiden. Vergl. dazu Österreich-Konvent, 5. Sitzung, Freitag, 21. November 2003, Tonbandabschrift, S. 54; konvent.gv.at (PDF; 0,5 MB); abgerufen am 2. Juni 2014.
↑Oliver Freiberger, Christoph Kleine: Buddhismus: Handbuch und kritische Einführung. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, 2010, ISBN 978-3-647-50004-1, S. 167 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑Derzeit (2014) nur eine Gemeinde: „Die Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft errichtet zunächst eine einzige Buddhistische Gemeinde, die sich auf das ganze Gebiet der Republik Österreich erstreckt. Ihr Sitz ist Wien. Die Errichtung weiterer Buddhistischer Gemeinden kann vom Sangharat jederzeit beschlossen werden.“ § 7.9. Sitz der Verfassung
↑„insbesondere zur Förderung und Verbreitung der Lehre, der Abhaltung von religiösen Übungen, der Abhaltung von Seminaren, allenfalls zur Errichtung von Schulen, Krankenhäusern, Kinder, Alten und Pflegeheimen, sozialen Diensten oder ähnlichen Zwecken“ § 11. Anstalten der Verfassung
↑Hauptsitz des Sayagyi U Ba Khin ist das IMC-Rangun in Myanmar
↑ abKarma Kagyü Diamantweg ehemals Karma Kagyü Österreich (KKÖ); die Karma Kagyü Sangha verließ 1997 den KKÖ, und ist seit 2010 auch im Bodhi Path Netzwerk. Geschichte des Wiener Karma Kagyü-Zentrums. karma-kagyu.at, abgerufen am 2. Juni 2014.
↑Hauptsitz des internationalen Ligmincha Netzwerkes ist das Ligmincha Institut, Serenity Ridge, Nelson County, Virginia, USA; Ligmincha International (ligmincha.org).
↑Wiener Zeitung 2013. In diesem Bericht von einer Religionsstunde mit nur zwei Schülern (zu dieser Gruppe gehören „bis zu 18 Schüler“) heißt es, dass in Österreich 190 Schüler teilnehmen, und 13 Lehrer unterrichten.