Albert BreierAlbert Breier (* 29. April 1961 in Paderborn) ist ein deutscher Komponist, Pianist und Schriftsteller. LebenAlbert Breier wuchs in dem ostwestfälischen Ort Sennelager bei Paderborn auf. 1979 ging er nach dem Abitur an die Musikhochschule Köln, Kompositionslehrer war für zwei Semester Jürg Baur. Danach arbeitete er als Komponist autodidaktisch weiter, studierte daneben bis 1987 Philosophie und Musikwissenschaft an der Universität Hamburg, Klavier bei Roland Keller an den Musikhochschulen Lübeck und Wien. Erste Auftritte als Pianist hatte Breier u. a. mit der Concord-Sonate von Charles Ives, einer Klavierfassung des ersten Satzes der 9. Sinfonie von Gustav Mahler sowie mit eigenen Werken. Entscheidend für Breiers weitere kompositorische Entwicklung war die Begegnung mit Morton Feldman bei den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik. Es folgten Versuche, von Feldman zu lernen, ohne in sklavische Abhängigkeit zu geraten. Ein Schlüsselwerk für die spätere Entwicklung ist sein dem Andenken Feldmans gewidmetes 2. Streichquartett (1988)[1]. Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre lebte Breier wieder in Köln. Er begann ein umfangreiches Selbststudium auf vielen Gebieten. Wichtig wurden die Entdeckung der klassischen chinesischen Landschaftsmalerei als einer wesentlichen Inspirationsquelle, das Studium der frankoflämischen Vokalpolyphonie des 15. Jahrhunderts, die Beschäftigung mit den Musiktraditionen Russlands und Georgiens sowie mit der russischen Religionsphilosophie. 1994 zog Breier nach Berlin, in der Folge entstanden zahlreiche Kammermusikwerke, oft für Freunde geschrieben. Seine Auftritte als Pianist nahmen zu, Einspielungen seiner Musik erschienen auf CD. 2002 erschien eine umfangreiche vergleichende Studie zu chinesischer Kunst und europäischer Musik: Die Zeit des Sehens und der Raum des Hörens. Ein Versuch über chinesische Malerei und europäische Musik.[2] Breier lehrte an der Universität der Künste Berlin. 2013 war er Stipendiat der Deutschen Akademie Villa Massimo in der Casa Baldi.[3] Aufführungen hatte Breier außer in Deutschland vor allem im östlichen Ausland, besonders in Tschechien. Im Januar 2023 widmete die Bayerische Akademie der Schönen Künste in München ihm ein Portraitkonzert mit vier neuen Kammermusikwerken.[4] Als Schriftsteller veröffentlichte Breier Essays, Rezensionen sowie 2014 zwei Bücher: Zahl und Moral. Ein Entwurf sowie Walter Zimmermann. Nomade in den Zeiten, beide 2014. Im selben Jahr zog Breier nach Dresden, dort zunehmende Vortragstätigkeit[5] und Beginn der Edition der Werke Norbert von Hannenheims.[6][7] Seit 2019 lebt Albert Breier wieder in Berlin. Er ist verheiratet und hat eine Tochter. Einflüsse, Verfahrensweisen und StilistikDie ersten eigenständigen Kompositionen Breiers entstanden zu Beginn der 80er Jahre. Sie zeigen Einflüsse Bernd Alois Zimmermanns und György Ligetis. Die Collagetechnik Zimmermanns gab Breier allerdings bald auf zugunsten einer stärker vereinheitlichten Musiksprache, die nach und nach ganz auf Stilzitate verzichtet. Die Auseinandersetzung mit dem Werk Morton Feldmans findet ihren ersten Niederschlag in dem einstündigen 2. Streichquartett, das Breier dem Andenken Feldmans gewidmet hat. Breier verzichtet allerdings weitgehend auf Feldmans Pattern-Technik, zudem ist seine Musik mehr linear als harmonisch geprägt. Ab 1998 verwendete Breier für einige Jahre eine neue, den eigenen kompositorischen Intentionen besser gerecht werdenden Notationsweise, die unter anderem durch das Fehlen von Taktstrichen gekennzeichnet ist. Es entstehen einige sehr ausgedehnte Stücke, die ein konzentriertes Hören verlangen, bei dem jedes Detail im Gedächtnis bleibt und das Erfassen der Großform an die Erinnerungsfähigkeit gebunden ist. Die Einflüsse der chinesischen Landschaftsmalerei zeigen sich bei Breier in einem Denken in großen Linienzügen, in der fast kalligraphischen Ausgestaltung der Details sowie in einer Verbindung von Konstruktivem und Improvisatorischen. Freiheiten der Ausführung gibt es allerdings nicht, alles ist präzise notiert. Seit dem Orchesterstück Licht im Vorübergehen[8] von 2009 treten klangliche Aspekte immer mehr in den Vordergrund. Die lineare Schreibweise verbindet sich mit genau ausgehörten Klangmomenten. Breiers Orchesterbehandlung verzichtet auf gängige Effekte. Sie beruht auf einem klanglichen Kontinuum zwischen unbegleiteten Soli und höchst differenzierten Klangmischungen von zum Teil sehr hoher Komplexität. Es entsteht eine Art musikalische Landschaftskunst, mit Werken von episch-lyrischem Charakter, in denen die Schönheit abstrakter Linien im Vordergrund steht. KompositionenBreier schrieb Musik für alle üblichen Gattungen mit Ausnahme von Oratorium und Oper. Es überwiegt die Instrumentalmusik. Die Klavierstücke I-VI (1983–96) bilden einen großen Zyklus, bei dem jedes Stück auch für sich gespielt werden kann. Ein Pendant dazu bilden sechs Streichquartette (1983-), von denen das letzte allerdings bisher unvollendet ist. In der Kammermusik favorisiert Breier die Triobesetzung in verschiedensten Kombinationen, darunter neben zwei Streichtrios so ausgefallene wie Viola, Horn und Harfe oder Oboe, Violoncello und Klavier. Einen weiteren Schwerpunkt bildet Ensemblemusik für 6–20 Spieler, darunter finden sich ebenfalls Stücke in seltenen Besetzungen wie Wohnen in fernen Landschaften für vier Klarinetten, Streichquartett und Klavier.[9] Breiers Orchestermusik gipfelt in zwei (bisher unvollendeten) Zyklen aus jeweils drei Stücken: den Landschaften und den Großen Landschaften (2003-). Von den Landschaften sind fertiggestellt: Licht im Vorübergehen und Nebelatem, von den Großen Landschaften: Einsamkeit und Zuspruch sowie ein weiteres, bisher nicht betiteltes Werk. Breier hat zwei große Werke für Chor a cappella geschrieben, ein zwölfstimmiges Requiem (2000) und eine 24-stimmige Messe (2007). Das Requiem zeigt den Einfluss der frankoflämischen Vokalpolyphonie; die Messe beruht auf gregorianischen Gesängen, die in derart strikter Weise verwendet werden, dass es keine einzige „freie“ Note gibt. Ein Gegenbild dazu gibt das intime Stabat mater für Sopran und Violoncello (2016).[10] Als Bearbeiter widmete sich Breier vor allem der Musik Gustav Mahlers. Neben einer Klavierfassung von dessen Neunter Sinfonie[11] existiert eine Version der Kindertotenlieder für Oboe, Violoncello und Klavier. Breier als PianistBreier hat in Konzerten oft eigene Werke gespielt, sämtliche der Klavierstücke I-VI wurden von ihm uraufgeführt. Musik von William Byrd, Orlando Gibbons und Johann Jakob Froberger spielt Breier auf dem modernen Klavier. Der Musik des von ihm verehrten Morton Feldman widmen sich zwei Einspielungen: Trio für Violine, Violoncello und Klavier[12] sowie Piano für Klavier solo. Breier als AutorBreiers schriftstellerische Tätigkeit hat ihre Schwerpunkte in zwei großangelegten Büchern. Die Zeit des Sehens und der Raum des Hörens – ein Versuch über chinesische Malerei und europäische Musik[2] (2002) bringt zwei scheinbar völlig verschiedene Kunstformen in ein Verhältnis. Ausgangspunkt ist die oft beobachtete „Musikalität“ der chinesischen Malerei, die sich etwa darin äußert, dass das Betrachten eines chinesischen Rollbildes ein unumkehrbarer Prozess in der Zeit ist. Wird so die Zeitlichkeit der chinesischen Malerei betont, weist umgekehrt die europäische Musik Züge einer Raumkunst auf. Das zeigt sich Breier zufolge an der Art, wie ihre Formen abstrakt-räumlich gedacht sind, in Analogie zu konstruktiven Prinzipien der Architektur. Die Begrifflichkeit der musikalischen Analyse ist vorwiegend eine räumliche, umgekehrt kann die chinesische Malerei mit Zeitbegriffen beschrieben werden. Das argumentative Grundgerüst des Buches lässt Platz für allerlei kulturtheoretische Exkurse und Bemerkungen. Zahl und Moral – Ein Entwurf[13] (2014) stellt ebenfalls eine Beziehung zwischen zumeist getrennten Bereichen des Denkens her. Breier geht der Frage nach, ob das mathematische Denken in seiner Symbolsprache auch bestimmten Arten menschlichen Handelns Ausdruck gibt, ob mathematische und moralische Normen in gewisser Weise konformgehen. Er beschreibt die Verflechtungen von Zahl und Moral nach, wie sie sich in verschiedensten Kulturphänomenen der Vergangenheit und der Gegenwart zeigen. Eine historische und problemgeschichtliche Darstellung öffnet sich dabei in ein großes Panorama der Moderne, die von Breier als Zeitalter der Vereinigung des mathematischen und des moralischen Formalismus beschrieben wird. Der in seinem Dasein ganz von der Zahl beherrschte Mensch der Gegenwart zeigt sich schließlich als Träger einer bestimmten, genau benennbaren Moral, die sein Handeln bis zu den unscheinbarsten Verrichtungen hinab lenkt. Breier kommt zu dem Schluss, dass die behauptete Weltlosigkeit der Mathematik sich als Trug erweist, der seinerseits ein ethisches Urteil herausfordert. 2014 veröffentlichte Breier ein Buch über den Komponisten Walter Zimmermann: Nomade in den Zeiten[14][15]. Daneben hat er eine umfangreiche Tätigkeit als Essayist[16] und Rezensent entfaltet[17]. Werkverzeichnis (Auswahl)Orchesterwerke
Ensemblemusik
Kammermusik
Klaviermusik, Orgelmusik
Vokalwerke
Bearbeitungen
Schriften (Auswahl)
Gespräche
Über Albert Breier
Weblinks
Belege
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