Anton Günther (Volksdichter)Anton Günther, bekannt auch als Tholer-Hans-Tonl, (* 5. Juni 1876 in Gottesgab, Böhmen; † 29. April 1937 ebenda) war ein deutscher Volksdichter, Sänger und Komponist von Volks- und Mundart-Liedern im Erzgebirge. Zu seinen bekanntesten Werken zählen Drham is’ drham (1895), Da Uf’nbank (1899), Feieromd (1903), Bleib’n mr noch a weng do (ebenfalls 1903), Wu da Wälder hamlich rausch’n (1905) und O selicha Weihnachtszeit (1907). Günther gilt zudem als Erfinder der Liedpostkarte. LebenHerkunft und KindheitAnton Günthers Familie stammte väterlicherseits aus Gottesgab an der böhmisch-sächsischen Grenze, doch war sein Vater Johann Günther seinerzeit in das nahegelegene St. Joachimsthal gezogen, um dort als Bergmann zu arbeiten. Nach einem verheerenden Stadtbrand gab er diesen Beruf auf und ließ sich als Weißwarensticker und Zeichner wieder in seinem Heimatdorf nieder. Wie in vielen ländlichen Gebieten üblich, waren die verschiedenen Familien hier besser unter ihrem Beinamen bekannt, zumal die gehäuft vorkommenden Familiennamen kaum als Unterscheidungsmerkmal taugten. Johann Günther galt daher (nach seinem zwischenzeitlichen Wohnort Joachimsthal) als der „Tholer-Hans“. Seinen Vornamen erhielt Anton Günther nach seinem Großvater, und demzufolge war er in Gottesgab als der „Tholer-Hans-Tonl“ bekannt. Er verbrachte seine Kindheit in Gottesgab. Da sein Vater durch Musizieren Geld zu seinem kargen Gehalt dazuverdiente, wurde auch Anton Günther schon früh an den Gesang und das Liedgut seiner Heimat herangeführt. Seine Schulbildung erhielt er in der Bürgerschule in St. Joachimsthal. Anton Günther stammte aus einer kinderreichen Familie, er hatte sechs Geschwister. Als er zwölf Jahre alt war, starb seine Mutter. Der Vater heiratete erneut und es kam 1891 ein weiterer Sohn namens Hans († 1982 in Dellach/Österreich) hinzu. Nach dem Tod seines Vaters 1901 kehrte Günther nach sechs Jahren in Prag in sein Elternhaus in Gottesgab zurück und musste sich um seine Familie und vor allem die Geschwister kümmern. Die geerbte kleine Landwirtschaft reichte nicht zum Unterhalt. Darum ergänzte Anton Günther seine Einkünfte, ähnlich wie zuvor sein Vater, mit Auftritten als Sänger und Musiker. Privates und TodAnton Günther heiratete am 9. Juli 1908 Marie Zettl (1886–1958), die Tochter des beim Keilberghausbau federführenden Zimmermanns in seinem Heimatort Gottesgab. Der Ehe entstammen drei in Gottesgab geborene Kinder, nämlich die Töchter Maria und Irmgard sowie ihr älterer Bruder Erwin (1909–1974), ein späterer Mundartsprecher. Günther litt unter schweren Depressionen. Am 29. April 1937 starb er in Gottesgab durch Suizid.[1] Die Beisetzung fand am 2. Mai 1937 auf dem Friedhof in Gottesgab statt. Günthers Familie wurde nach Kriegsende 1945 vertrieben, ließ fast alles zurück – auch Noten und Zeichnungen – und siedelte sich im nahen Oberwiesenthal an. Dort starb seine Frau Maria 1958, ohne jemals wieder nach Gottesgab gekommen zu sein. Sohn Erwin Günther war während der Vertreibung im Kriegsdienst, trat später in die Fußstapfen seines Vaters und wurde Mundartsprecher im Volkskunst-Ensemble „Heiteres Erzgebirge“ um Joachim Süß und die Geschwister Caldarelli. Er war maßgeblich an der Zusammenstellung des Lebenswerkes seines Vaters beteiligt, das Gerhard Heilfurth bereits 1937 herausgab. WerdegangUrsprünglich wollte Anton Günther Förster werden, weil er eine besondere Liebe zur Natur und zum Wald mitbrachte. Aber sein Zeichentalent und die Sorge um die Familie führten ihn zur Lehre zum Lithografen Ed. Schmidt ins sächsische Buchholz. Nach nur drei Jahren wurde er schon von der Lehre freigesprochen. Weiter zog es ihn ab 1895 nach Prag an die k. und k. Hoflithographie-Anstalt A. Haase. Das Heimweh nach den Bergen und Wäldern macht ihn dort zum Dichter. Mit anderen Gottesgabern und böhmischen Erzgebirgern, die wie er in Prag lebten, traf er sich regelmäßig zum „Guttsgewer Obnd“ (Gottesgaber Abend). Für eines dieser Prager Treffen, bei dem auch zur Gitarre Lieder aus der Heimat gesungen wurden, verfasste Anton Günther 1895 eines seiner bekanntesten Lieder, Drham is’ drham („Daheim ist daheim“). Die große Resonanz auf dieses Lied veranlasste ihn zu einer neuen Idee. Statt den Text zum Weitergeben immer wieder abzuschreiben, zeichnete er ihn 1895 auf Lithographie-Stein und ließ ihn als Postkarte drucken. Die zunächst von Günther im Selbstverlag veröffentlichten Lieder auf Postkarten mit Zeichnungen wurden laut Zuth später von H. Scherrer und Theodor Salzmann (1854–1928) mit Gitarrensatz versehen und beim Leipziger Verlag Hofmeister in sechs Sammlungen gedruckt. Das Erzgebirge wurde damals zunehmend beliebt als Urlaubs- und Kurregion. Gaststätten und Vereine luden Günther zu Unterhaltungsabenden für Einheimische und Gäste vor allem ins sächsische Erzgebirge ein (Fichtelberg, Neues Haus in Oberwiesenthal, Dreckschänke im böhmischen Breitenbach). Einen nicht unwesentlichen Teil der Einnahmen brachte Günther 1911 in eine Stiftung ein, die Kranke, Alte und Arme in seinem Heimatort unterstützte und an seinem Erfolg teilhaben ließ. Sie hieß Tholerhans-Tonl-Stiftung. Den Ersten Weltkrieg erlebte Anton Günther als österreichischer Soldat an der serbischen Front von Anfang an. Durch eine Verletzung am Fuß verbrachte er einige Zeit in einem Lazarett in Komotau. Anschließend wurde er zum Kriegshilfsdienst abkommandiert. Im Herbst des Jahres 1918 kehrte Günther nach Gottesgab zurück. Einer seiner Brüder, Julius, hatte den Krieg nicht überlebt, und Anton Günther unterstützte fortan auch die Familie seines Bruders. Ein Ergebnis des Ersten Weltkrieges war die Entstehung der Tschechoslowakei, in deren Gefolge die nationalen Minderheiten, darunter Millionen Sudetendeutsche, im Vergleich zu den Tschechen und Slowaken gesetzlich benachteiligt wurden.[2][3][4] Dies verletzte den heimatverbundenen Künstler sehr und wurde auch Gegenstand seiner Lieder. Schon 1908 hatte er auf die sich schon damals abzeichnenden nationalen Spannungen mit dem Liedtext Deitsch on frei wolln mer sei! geantwortet. Auch nach dem Krieg blieb der Sänger und Unterhalter Anton Günther beliebt, ebenso seine Lieder, insbesondere Drham is’ drham (1895), Da Uf’nbank (1899), Feieromd (1903), Bleib’n mr noch a weng do (ebenfalls 1903), Wu da Wälder hamlich rausch’n (1905) und O selicha Weihnachtszeit (1907). Es folgten Gesangs-Engagements in Berlin, Wien und Dresden. Sehr erfolgreich waren Schellack-Schallplatten mit Aufnahmen des Sängers Anton Günther, der sich selbst mit der Gitarre begleitete. Eine besondere Würdigung seines Schaffens zu Lebzeiten erfuhr er am 5. Juni 1936 zu seinem 60. Geburtstag. Höhepunkt war die Einweihung des noch heute erhaltenen Gedenksteins auf dem Marktplatz von Gottesgab. In dieser Zeit ließ sich der Volkssänger von den aufstrebenden deutschen Nationalsozialisten und der NSDAP trotz deren Werbens nicht vereinnahmen. Ehrungen und NachwirkungGrab, Geburts- und WohnhausSein Grab samt der 1937 angebrachten Grabplatte ist im Gegensatz zu den Gräbern vieler anderer ehemaliger deutscher Einwohner erhalten geblieben, nur wenige Meter entfernt befindet sich auch die Grabstätte seiner Großmutter. Sein Geburtshaus („Vaterhaus“) ist eingefallen und in seinem stark veränderten Wohnhaus ist heute ein Prager Skiverein ansässig – eine Gedenktafel erinnert jedoch an ihn. Straßen, Plätze und GebäudeIm Erzgebirge und auch im Vogtland wurden zahlreiche Plätze und Straßen nach Anton Günther benannt. 1995 wurde der grenzüberschreitende Anton-Günther-Weg – ein Wanderweg – eingeweiht und auch in seinem Geburtsort Gottesgab lebt die Erinnerung an den Volksdichter weiter (Museum, Grabstätte, Gedenktafel am Wohnhaus, Restaurierung des Denkmals am Marktplatz). In Annaberg wurde 1934 die Oberschule in der Münzgasse nach ihm benannt, die 1952 in EOS Johannes R. Becher (und später nochmals in St.-Annen-Gymnasium) umbenannt wurde (inzwischen geschlossen).[5][6] GedenksteineMuseenEin Teil des Nachlasses von Anton Günther befindet sich seit 2011 im Museum für Sächsische Volkskunst.[7][8] Ein weiterer Nachlassteil wird seit 2014 im Wiesenthaler K3, dem Museum der Stadt Oberwiesenthal gezeigt.[9] Vereinnahmung für politische ZieleInzwischen wird er erneut von Nationalisten für deren politischen Ziele vereinnahmt.[10] Weiterhin ist es sein Lied „Deitsch on frei wolln mer sei!“, das zu kontroversen Diskussionen um Günthers Position führt.[11] LiedpostkartenAnton Günther gilt als Begründer der Liedpostkarte, einer Postkarte mit einfachen Notenbildern, Texten und eigenen Lithografien. Er war der Erste, der 1895 ein komplettes Lied (da aber noch ohne Noten) auf eine Postkarte bannte. Wie viele dieser Karten er unter die Menschen brachte, bleibt unklar. Es gibt keine genaue Aufstellung. Immer wieder tauchen bisher unbekannte Versionen mit Liedern, Gedichten, Sinnsprüchen oder Landsturm-Liedern auf. Zwar sind die Karten fast durchweg nummeriert, allerdings geriet die Ziffernvergabe oftmals durcheinander, was für Sammelfreunde eine besondere Herausforderung ist, einen detaillierten Katalog aber nahezu unmöglich macht. Es ist davon auszugehen, dass es um die 160 Karten mit Liedern, Gedichten und Sprüchen von ihm gibt. 134 sind in verschiedenen Versionen bekannt. 86 sind nach Irmgard Major geb. Günther (* 21. August 1918), der am 25. Januar 2012 in Frankfurt am Main verstorbenen Tochter Anton Günthers, als geschlossene Einheit zu sehen, weil sie neben einer eigenen Zeichnung auch Text- und Notenbild aufweisen. Inzwischen muss von mindestens 89 Karten ausgegangen werden, da inzwischen weitere Liedkarten aufgetaucht sind. Die erste Liedpostkarte Anton Günthers ist Drham is’ drham, eine einfarbige grüne Lithographie ohne Nummer oder Verlagsangabe, nur einem „Ged. v. A. G.“. Die Karte entstand während Günthers Ausbildung zum Lithographen in Prag 1895. Drham is’ drham war aber nicht Günthers erstes Lied. Ebenfalls 1895 dichtete er De Guttsgoh, versah dieses von ihm selbst in einem seiner Notenhefte als sein erstes Lied bezeichnete Werk aber nicht mit einer eigenen Melodie und bis heute ist davon auch keine Postkarte bekannt. In Prager Heimatabenden trug Anton Günther die Lieder vor, Drham is’ drham mit besonders großem Erfolg. Statt es auf Nachfrage Dutzende Male abzuschreiben, brachte er das Lied noch ohne Noten, aber mit einer eigenen Zeichnung vermutlich Ende 1895 selbst auf Lithographie-Stein und ließ es auf 100 Karten in der ersten Auflage drucken. Da die Familie in Gottesgab gegen die Armut ankämpfte, schickte Günther eine weitere Auflage seiner – wie er sie selbst nannte – „Liederpostkarten“ in die Heimat, die dort sein Vater Johann Günther im Selbstverlag und gemeinsam mit Sohn Julius in dessen Reiseandenkenladen in Gottesgab und auch von Tür zu Tür vertrieb. Die zweite Auflage umfasste 1897 500 Stück. 1898 folgten mit Groshaner. (II) und Schwåmmagieher. (Nummer III) zwei weitere Karten, 1900 fünf und ab 1901 auch die ersten Farblithographien mit dem ab da obligatorischen Notenbild. Nach dem Tod des Vaters, Ende November 1901, kehrte Anton Günther in die Heimat zurück und brachte seine „Liederpostkarten“ schrittweise auch unter seinem Namen „Anton Günther’s Selbstverlag, Gottesgab, Böhmen“ heraus. 1937 erschien die letzte Karte mit der Nummer 87 und dem Titel „Ben Ahfang on ben End“ (auch „Bild dir nischt ei“). Insgesamt erschienen jedoch mehr als 150 verschiedene Karten.[12][13][14][15] WerkverzeichnisLieder (Auswahl)Aufgezählt in Zeitfolge und vornehmlich originaler Schreibweise Anton Günthers.
SprücheHeil när zu, heil när zu, Im Zeitraum von 1904 bis 1930 schrieb Anton Günther 42 Erzählungen in Mundart u. a.: Ven Vugelstelln (1904), Der Schatten (1905), Ze ball geschossen (1907), Ven Paschn (1908), Der Stiefelabsatz (1910), Der Kolander (1912), Ve der Wogner Nann (1920), Judensklaven (1922), Der Wendelie (1923), Aus der Hongerzeit (1924) Guten Obnd (1925), In Cranzahl (1926), Ve der Mode (1928), Mognkatarrh (1929), E gute Antwort (1930), Anton Günther (1930). TonträgerKassetten und Musik-CDsEine Auswahl der Tonträger seit 1990 (LC = Musikkassette; CD = CD)
Schellack-PlattenErste Schellackplatten mit Liedern Anton Günthers erschienen ab 1907.[16] Sie wurden beim Leipziger Label Kalliope aufgelegt. Die fünf Lieder (drei Platten) „Da Uf’nbank“, „Bleib’n mr noch a weng do“, „De Drackschenk“, „Wu da Wälder hamlich rausch’n“ und „Grüß dich Gott, mei Arzgebirg!“ wurden vermutlich vom Leipziger Kristallpalast-Orchester aufgenommen. Auf den Platten war aber nur „Herrengesang mit Orchester“ vermerkt. Bis 1914 erschienen weitere Platten mit dieser Formation. Ab 1921 spielte Anton Günther seine Lieder auch selbst ein. Zwischen 1921 und 1930 kam es zu insgesamt 27 Original-Aufnahmen Günthers und 45 Schellackplatten bei sechs Plattenfirmen, die in Berlin ansässig waren, sowie weiteren 25 Platten bei Nebenlabels. VOX stellte drei Platten ein Trompetensolo voran, bei zwei Platten hielt Anton Günther zudem eine kurze Ansprache. Auf einer VOX-Platte wurde ein Autogramm in den Schellack gepresst (Nr. 3654).
Insgesamt 8 Platten mit 16 Titeln
Insgesamt 5 Platten mit 10 Titeln
Insgesamt 6 Platten mit 10 Titeln; (Kristall – 1 Platte)
Insgesamt 5 Platten mit 10 Titeln (Beka – 5 Platten; Odeon – 5 Platten; Gloria – 1 Platte)
Insgesamt 7 Platten mit 13 Titeln
Insgesamt 10 Platten mit 18 Titeln: (Synopse/Bestellnummer damals)
Insgesamt 10 Platten mit 18 Titeln – (Audiophon – 4 Platten; Adler – 4 Platten; Rot-Gold – 3 Platten; Elton – 2 Platten)
Übersicht der Tonträger
Die hinzugefügten Zahlen nennen die Seitenzahl.
Die hinzugefügten Zahlen nennen die Nummer im Inhaltsverzeichnis.
Historische Originalaufnahmen: Anton Günther singt und begleitet sich mit der Gitarre, außer 2006 (Sänger Andreas Beck, Gitarre Robin Hermann). Die Zusätze A und B bedeuten Vorder- oder Rückseite der Schellackplatten (P).
Werke
Literatur
WeblinksCommons: Anton Günther – Sammlung von Bildern und Audiodateien
Wikisource: Anton Günther – Quellen und Volltexte
Einzelnachweise
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