Brabançonne
La Brabançonne (französisch) bzw. De Brabançonne (niederländisch), auf Deutsch Das Lied von Brabant, ist der Name der Nationalhymne des Königreichs Belgien.[1] Sie ist dies faktisch seit der Unabhängigkeit, allerdings wurde sie nie offiziell dazu erklärt. Zum 100-jährigen Jubiläum der Unabhängigkeit wurde 1930 für die Brabançonne auf der Place Surlet de Chokier (Surlet de Chokierplein) in Brüssel ein Denkmal errichtet, in dem die Anfangszeilen des Liedes auf Französisch und Niederländisch eingraviert sind. Beim alljährlichen Königsfest am 15. November wird zum Abschluss das Lied, oft von einem bekannten Sänger, auf Französisch, Niederländisch und Deutsch gesungen. EntstehungDie Brabançonne entstand auf dem Höhepunkt der belgischen Revolution. Das spätere Belgien gehörte bis 1830/1839 zu einem gesamtniederländischen Königreich. Der Süden fühlte sich seinerzeit aus politischen, konfessionellen und sprachlichen Gründen vom Norden unterdrückt. Eine Aufführung der Oper Die Stumme von Portici von Auber im Brüsseler Théâtre de la Monnaie stachelte das Publikum derart auf, dass im ganzen Land Unruhen ausbrachen, in denen sich der Unmut über die nordniederländische Vormacht im Königreich entlud. In dieser Situation verfasste der französische Dichter Jenneval den Text, zu dem François Van Campenhout kurz darauf die Melodie komponierte. Die vermutliche Erstausgabe trägt den Titel La Brabançonne, chantée au grand théâtre, parole de Jenneval, musique de F. Campenhaut [sic!], dédiée aux défenseurs de Bruxelles, chez Mme Nolot, Montagne de la cour Bruxelles. Lithographie de J. B. Madou. Der französische Originaltext wurde mehrfach überarbeitet. Heute ist ein Teil der Fassung von Charles Rogier noch gültig, zu der später niederländische Übersetzungen angefertigt wurden. Die deutsche Fassung – Deutsch ist eine der drei Amtssprachen Belgiens – ist wenig verbreitet. Die Übersetzung stammt aus der Zeit zwischen den Weltkriegen, nachdem Belgien eine deutschsprachige Minderheit erhalten hatte. TextJennevals FassungenDer Autor des ursprünglichen Hymnentextes ist Hyppolyte-Louis-Alexandre Dechet, genannt Jenneval. In den Revolutionswirren dichtete er in zwei Tagen vier Strophen, in denen er den Forderungen der Gesandtschaft Ausdruck verlieh, die zum König gereist war: Dignes enfants de la Belgique Am 7. September 1830 wurde diese erste Version der Brabançonne im Courrier des Pays-Bas abgedruckt, was vom Norden als weitere Provokation empfunden wurde und mit dazu beitrug, dass sich die Lage zuspitzte. Als am 23. September die Truppen Wilhelms I. von allen Seiten auf Brüssel zumarschierten, schrieb Jenneval, empört über diese Aggression, die sogenannte Nouvelle Brabançonne, in der er nun einen sehr viel schärferen Ton gegen die Orangisten, die Anhänger Wilhelms, anschlug: Qui l’aurait cru … de l’arbitraire, Rogiers FassungBis 1860 blieb diese scharfe Fassung Jennevals bestehen. Als sich die nationalistischen Wogen etwas glätteten, wurden aber Rufe nach einer gemäßigteren Haltung den Nordniederländern gegenüber laut, der eine gehässige Nationalhymne nicht im Weg stehen sollte. Schon 1852 unternahm Louis Hymans einen Versuch in dieser Richtung (« Ne crions plus mort aux Bataves ! Les peuples libres sont amis ! »), und auch andere Autoren versuchten sich an einem neuen Text. Keiner von ihnen hatte aber den politischen Einfluss von Charles Rogier, der einer der führenden Köpfe der Revolution und erster Premierminister Belgiens war. Mit einer Kommission aus Dichtern arbeitete er 1860 eine Neufassung aus, die nicht nur völlig von ihren Spitzen gegen die Niederlande bereinigt war, sondern auch als ein Signal der Versöhnung mit dem Norden verstanden werden sollte. Après des siècles d’esclavage, Kritik am neuen TextRelativ zeitnah zum Original geschrieben (und dazu noch von einem Mitstreiter Jennevals), kann der neue Text zwar eine gewisse Authentizität für sich in Anspruch nehmen, literarisch gesehen aber ist die neue Version problematisch. So beginnt die erste Strophe des neuen Textes mit einem schiefen Bild: „Nach Jahrhunderten der Sklaverei / Entstieg der Belgier dem Grab …“ (wer erst Jahrhunderte der Sklaverei überlebt hat, kommt auch nicht ins Grab; wer dem Grab entsteigen kann, kann kein Sklave geworden sein), und später: „Und deine Hand … prägte in dein altes Banner …“ (Stoff kann man nicht prägen). Zu der bescheidenen literarischen Qualität kommt die Tatsache, dass den Silben der neuen Hymnenworte nicht je eine, sondern teilweise mehrere Noten zugeordnet sind. Dadurch ist das Lied für Massen nur schwer singbar. Jules Geruzet rechtfertigt in einer Ausgabe der Brabançonne die Unzulänglichkeiten der Nationalhymne folgendermaßen:
Trotzdem wurden immer wieder Stimmen laut, der Text sei unbedingt zu ändern. Obwohl seit Rogier mindestens fünf Komitees eingesetzt wurden, um eine Novelle der Hymne auszuarbeiten, gibt es bis heute keine offizielle Fassung. Die einzige, jedoch nicht bindende Richtlinie hierzu stellt ein Runderlass des Ministers des Innern vom 8. August 1921 dar, in dem er empfiehlt, alleine die vierte Strophe der Rogier-Fassung (« O Belgique, ô mère chérie … ») als offiziell zu betrachten. Eine 1951 eingesetzte Kommission bekräftigte diese Empfehlung im Jahr 1959. Niederländischer TextErste niederländische Fassungen entstanden gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Eine davon („O Vaderland, o edel land der Belgen“) könnte von Servaes van Eesbeeck oder Emile Regulus stammen. Als Autor einer weiteren, einigermaßen bekannten Strophe („Juicht, Belgen, juicht“) von 1918 ist Victor Ceulemans (1887–1969) verbürgt. 1922 schrieb die Vlaamse Akademie einen Wettbewerb für eine niederländische Fassung der Hymne aus, wobei alle 161 eingegangenen Vorschläge abgelehnt wurden. Wahrscheinlich war es dann aber Leo Goemans (1869–1955), der 1933 eine recht getreue Übersetzung des Französischen anfertigte („O dierbaar België“), die faktisch offiziell wurde, wie ein Runderlass des Ministers für Bildung von 1938 bestätigte. Da die Silben-Noten-Verteilung dieser Version sehr viel plausibler ist als die der französischen Fassung, hat sie im flämischen Bevölkerungsteil Belgiens mittlerweile weitgehende Akzeptanz erworben. Wallonischer TextEs gibt auch einen inoffiziellen Text auf Wallonisch, einem belgischen Dialekt des Französischen, geschrieben von Johan Viroux 1996. MelodieJenneval legte seine erste Fassung dem Musikverleger Jean-Joseph Jorez vor, der vorschlug, den Text auf das damals bekannte Lied Les lanciers polonais von Eugène de Pradel zu singen und sie in La Brabançonne[2] umzutaufen, da es eine Bruxelloise, wie Jenneval sein Gedicht ursprünglich genannt hatte, bereits gab. Schon am 12. September sang der Tenor Jean-François Lafeuillade während der Pause einer Vorstellung im Théâtre de la Monnaie diese Version. Die Brabançonne traf den Nerv des Publikums, das sie von da an jeden Abend verlangte. Die zweite, heute gültige Musikfassung sang ihr Komponist, der Tenor François van Campenhout, zum ersten Mal am 28. September im L’aigle d’or, dem Gasthof des Wirts Cantoni in der Rue de la fourche (Greepstraat). Zwischen Oktober und Dezember 1830 erschien sie gedruckt mit Gitarrenbegleitung und einem Nachspiel, das die Marseillaise zitiert. Dass sie lediglich eine Bearbeitung der Lanciers polonais sein soll, ist nicht belegt. 1864 komponierte der berühmte Geigenvirtuose Henri Vieuxtemps das Werk Ouverture et hymne national belge avec chœur, mit dem er eine Alternative zur Brabançonne zu schaffen suchte. Der König Leopold I. gewidmeten Komposition war jedoch nur ein vorübergehender Erfolg beschieden; heute ist sie fast vergessen. Zur 50. Jahresfeier der Unabhängigkeit im Jahre 1880 schlug auch der Versuch eines anderen Komponisten fehl, die Nationalhymne entbehrlich erscheinen zu lassen. Kritik an der KompositionDem Komponisten Campenhout wurde von vielen Plagiat vorgeworfen. Als angebliche Vorbilder wurden genannt: Boïeldieus Weiße Dame, Méhuls Joseph, ein Marsch aus Rossinis Tancredi und Aubers Stummer von Portici, das Lied En partant pour la Syrie und die Marseillaise. Die Vorwürfe ließen sich aber nicht erhärten. Dass sich in der Hymne Anklänge an andere Werke finden, überrascht nicht weiter, wenn man bedenkt, dass der Komponist als Operntenor von einem großen Repertoire beeinflusst worden war. Sein sängerisches Können ist eventuell auch der Grund dafür, dass die komplizierte Silben-Noten-Verteilung und die nicht wenigen Verzierungen im Original-Notentext größere Ansprüche an Interpreten stellen und damit für den Massengesang nicht geeignet sind. Bearbeitungen
WortlautFranzösischer TextÔ Belgique, ô mère chérie, Deutsche Übersetzung O Belgien, o geliebte Mutter, Niederländischer TextO dierbaar België, O heilig land der vaad’ren! Deutsche Übersetzung O liebes Belgien, o heiliges Land der Väter! Deutscher TextDie offizielle Textfassung der belgischen Nationalhymne in der Nationalsprache Deutsch: O liebes Land, o Belgiens Erde, Dreisprachiger TextDa der belgische König zu sprachlicher Neutralität verpflichtet ist, wird bei offiziellen Anlässen, zum Beispiel zum Nationalfeiertag am 21. Juli 2010, in seiner Anwesenheit die Hymne in den drei Landessprachen intoniert:[4] O dierbaar België, O heilig land der vaad’ren! Andere HymnenDie beiden großen Regionen Belgiens, Flandern und Wallonien, haben eigene Lieder, die bei offiziellen Veranstaltungen den Zweck einer Nationalhymne erfüllen.
Siehe auchLiteratur
Veröffentlichungen, in denen die Nationalhymne mit Text und Melodie erscheint:
Weblinks
Einzelnachweise
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