Ebenfalls 1919 hatte er die programmatische Schrift „Erziehung der Künstler an staatlichen Schulen“ herausgegeben. Am 1. Oktober 1924 wurde Bruno Paul, der zu diesem Zeitpunkt schon ein umfangreiches Gesamtwerk vorweisen konnte, Direktor der Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst („VS“, heute Universität der Künste) in Berlin.[2]
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs arbeitete er zunächst in Wiesenburg/Mark, danach in Frankfurt am Main und Hanau. 1949 zog er nach Höxter und später nach Düsseldorf, wo er hauptsächlich im Ingenieur- und Brückenbau für die Firma Gollnow & Sohn tätig war. 1955 wurde er in die neugegründete Akademie der Künste (West-Berlin) aufgenommen. Bruno Paul übersiedelte 1955 nach Berlin, wo er 1968 im Alter von 94 Jahren starb.
Bruno Paul trat mit ersten humorvollen Zeichnungen für die literarisch-künstlerische Wochenschrift Jugend 1896 an die Öffentlichkeit. Zwischen 1897 und 1906 zeichnete er für den Simplicissimus 492 großteils politische Karikaturen, die im Lauf der Jahre immer bissiger wurden. Diese Zeichnungen befinden sich heute mit wenigen Ausnahmen in der Staatlichen Graphischen Sammlung München. Mit seiner Berufung nach Berlin gab Paul diese Tätigkeit, die ihm als preußischem Professor hätte Probleme bereiten können, vollständig auf. Seine letzten fünf Karikaturen im Simplicissimus erschienen daher unter dem Pseudonym Ernst Kellermann. Neben seinen Karikaturen entstanden auch Plakate für Ausstellungen und Institutionen wie etwa 1903 für das berüchtigte Münchner politische Kabarett Die Elf Scharfrichter.
Innenarchitektur, Design
Kerzenleuchter (1901)
Parallel zu seiner Arbeit als Karikaturist hatte sich Bruno Paul auch eine Position als gefragter Möbelentwerfer und Innenarchitekt erarbeitet. Er entwarf kostspielige Einzelanfertigungen für das Luxussegment, aber auch typisierte Möbel für die serielle Fertigung. Sein Arbeitszimmer für den Bayreuther Regierungspräsidenten wurde auf der Weltausstellung in St. Louis 1904 mit einem Grand Prix ausgezeichnet. In der Folge gestaltete er unter anderem den Wartesaal im Nürnberger Hauptbahnhof – ebenfalls ein Auftrag der Bayerischen Staatsregierung – sowie die Ausstattung und Inneneinrichtung für den Doppelschrauben-Schnellpostdampfer Kronprinzessin Cecilie, einen Transatlantikliner des Norddeutschen Lloyd, der zu den ehrgeizigsten und erfolgreichsten deutschen Passagierschiffprojekten des 20. Jahrhunderts zählt. Neben Paul waren unter anderem der langjährige künstlerische Leiter des Lloyd, Johann Georg Poppe, Joseph Maria Olbrich und Richard Riemerschmid an diesem Auftrag beteiligt.[8] Im Anschluss an diese Arbeit wurde Poppe von Bruno Paul als Hausarchitekt des Norddeutschen Lloyd abgelöst. In der Zeit bis 1909 war Paul für die Ausstattung dreier weiterer Schiffe, darunter des Schnelldampfers Prinz Friedrich Wilhelm, verantwortlich. Das einst im Speisesaal dieses Schiffes aufgestellte und von Paul entworfene Einbauklavier, das der Klavierbauer Ibach ausführte, hat sich bis heute erhalten.
Als Architekt stand Bruno Paul der so genannten „Neuen Sachlichkeit“ nahe. Diese Strömung in der Architektur grenzte sich einerseits vom Expressionismus ab, andererseits, erkenntlich an der Verwendung des Wortes „neu“, von einer ihr vorausgehenden Bewegung zu Einfachheit und Zweckmäßigkeit, die 1906/1907 in Deutschland mit der Abkehr vom Jugendstil verbunden war. Die Neue Sachlichkeit wurde besonders durch die Architekten der Bauhaus-Schule berühmt, zu ihr gehören aber auch zahlreiche Bauten und städtebauliche Projekte anderer Werkstätten.
Eine erste Arbeitsprobe als Architekt hatte Bruno Paul 1907 mit dem „Haus Westend“, Berlin-Charlottenburg, Ebereschenallee 16, geliefert. Von 1907 bis 1908 war Ludwig Mies van der Rohe im Architekturbüro von Bruno Paul tätig[10] und studierte bei Paul an der Kunstgewerbeschule Berlin die von ihm vertretene Reformarchitektur der Münchner Schule. Adolf Meyers, ein zentraler Wegbereiter der Industriearchitektur in Deutschland des 20. Jahrhunderts, arbeitete von 1909 bis 1910 in Bruno Pauls Büro.[11] Seit 1921 unterhielt er gemeinsam mit seinem Schwager Franz Weber ein Baubüro in Köln. Von hier aus wurden seine Projekte im Westen Deutschlands betreut, darunter repräsentative Villen und Landhäuser, zum Beispiel in Köln-Marienburg und Soest, denen er seinen Ruf als „Architekt der Gesellschaft“ verdankte. Zwischen 1926 und 1931 wurden in Soest nach Entwürfen von Bruno Paul drei Villen (der Familien Plange, Sternberg und Jahn) sowie ein Ruderheim am Möhnesee gebaut und neben einem Wohnhausumbau (der Familie Hagen) auch der Umbau eines Veranstaltungsraumes durchgeführt.[12] Wie für die damalige Zeit üblich entwarf Bruno Paul auch die komplette Innenausstattung der Häuser bis hin zu einzelnen Türgriffen und verwendete für Einbauten, Türen und Möbel (insbesondere bei der Villa des Furnierwerksbesitzers Otto Jahn) die kostbarsten und exotischsten Hölzer, wie Ostindisch oder Rio-Palisander, ungarische Blumenesche, Bahia-Rosenholz oder Zitronenholz. Die drei Villen sind äußerlich nahezu im Originalzustand und stehen unter Denkmalschutz. Die Villa Plange befindet sich im Besitz des Kreises Soest; seit 2009 ist dort ein Raum mit restaurierten Möbeln von Bruno Paul eingerichtet.
Die Planung des „Disch-Hauses“ – benannt nach den Auftraggebern, einer Kölner Unternehmensgruppe – ging auf die alte Freundschaft mit Richard Riemerschmid zurück, der inzwischen Direktor der Kölner Werkschulen geworden war. Das Büro- und Geschäftshaus mit stark nach außen gekrümmter Fassade und ausgeprägten horizontalen Fensterbändern entstand 1930 und gilt als wichtigstes Zeugnis des Neuen Bauens in der Domstadt. Es ist eines der Hauptwerke des Architekten, ebenso wie die Erweiterungsbauten für die Verwaltung des Gerling-Konzerns in Köln. In diese Gruppe herausragender Arbeiten gehört auch die Villa für den Lederfabrikanten Edmund Traub von 1928/1930,[13] eines der wichtigsten Beispiele des Funktionalismus in Prag, vor allem aber das zeitgleich errichtete Kathreiner-Hochhaus am Kleistpark in Berlin. Dieses erste reine Bürohochhaus in der Hauptstadt – einige Fabrikhochhäuser gab es schon – hat zwölf Etagen und zwei sechsgeschossige Flügel. Es steht heute unter Denkmalschutz.
1910–1915: Villa Gans (Haus Hainerberg) in Königstein im Taunus (1938–1945 Erholungsheim der Deutschen Reichspost, bis 1997 Klinik Hainerberg der Landesversicherungsanstalt Hessen), Altenhainer Straße 1[15]
vor 1916: Erweiterungsbau der Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbe-Museums in Berlin[15]
1915–1917: Haus Friedwart in Wetzlar, Laufdorfer Weg 6, Innenarchitektur[28]
1920–1921: Wohnhaus Ernst Fraenkel in Hamburg, Krumdahlsweg 9[14]
1923–1924: Wohnhaus Neven DuMont in Köln, Goethestraße 68[14]
1924–1925: Um- und Anbau Wohnhaus/Klinik Prof. Dr. János Plesch in Berlin, Budapester Straße[14]
1924–1925: Doppelhaus Salomon/Schmidt in Köln, Bayenthalgürtel 34/Goltsteinstraße 191[14]
1924–1925: Wohnhaus Auerbach in Berlin-Dahlem, Clayallee 34[29]
1923–1926: Wohnhaus Collignon in Berlin-Wannsee, Am Großen Wannsee 72–76[30]
1924: Umbau des Landhauses Prieger in Berlin-Grunewald, Lassenstraße 32–34[31]
1924: Plattenhaus 1018 für die Deutschen Werkstätten in Hellerau (ein erhaltenes Exemplar des Plattenhauses 1018 steht in Dresden-Hellerau, Auf dem Sand 26)[14]
1926–1927: Wohnhaus Riffarth in München, Agnes-Bernauer-Straße 101[14]
1929–1931: Villa für die jüdische Kaufmannsfamilie Paul Lindemann in Berlin, am Hochufer Rupenhorn über dem Stößensee (von 1935 bis 1941 Wohnsitz von Hanns Kerrl, seit 2003 Sitz des Touro College Berlin).[36][37]
1930–1931: Villa Jahn in Soest, Pagenstraße 41[38][14]
Josef Popp: Bruno Paul. Mit 319 Abbildungen von Häusern und Wohnungen. Bruckmann Verlag, München 1916.
Bruno Paul. In: Die Woche, Moderne illustrierte Zeitschrift, Band II, Nr. 25, S. 1090–1094.
Alfred Ziffer (Hrsg.): Bruno Paul. Deutsche Raumkunst und Architektur zwischen Jugendstil und Moderne. München 1992.
Sonja Günther: Bruno Paul, 1874–1968. Gebr. Mann, Berlin 1992.
Jost Schäfer: Bruno Paul in Soest. Villen der 20er Jahre und ihre Ausstattung. Bonn 1993.
Alfred Ziffer, Christoph De Rentiis: Bruno Paul und die Deutschen Werkstätten Hellerau. Hellerau-Verlag, Dresden 1993, ISBN 3-910184-18-9.
Dresdner Geschichtsverein e. V. (Hrsg.): Gartenstadt Hellerau. Der Alltag einer Utopie. Dresden 1997, ISBN 3-910055-42-7.
Lukeš, Zdeněk: Begleichung der Schuld: Deutschsprachige Architekten in Prag 1900–1938 (Splátka dluhu : Praha a její německy hovořící architekti 1900–1938): Fraktály Publishers, Praha 2002, 217 S., ISBN 80-86627-04-7. Abschnitt Bruno Paul, S. 148–149.
Thomas Steigenberger: Mies van der Rohe ein Schüler Bruno Pauls? In: Johannes Cramer, Dorothée Sack (Hrsg.): Mies van der Rohe. Frühe Bauten. Probleme der Erhaltung, Probleme der Bewertung. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2004, S. 151–162.
Thomas Steigenberger: Vorbild und Feindbild. Münchner Jugendstil in Berlin. In: Nicola Bröcker, Gisela Moeller, Christiane Salge (Hrsg.): August Endell. 1871–1925. Architekt und Formkünstler. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2012, ISBN 978-3-86568-654-1, S. 282–293.
↑Alfred Ziffer: Rückblick auf ein Jahrhundert. In: Alfred Ziffer (Hrsg.): Bruno Paul. Deutsche Raumkunst und Architektur zwischen Jugendstil und Moderne. München 1992, S. 9 (mit ausdrücklichem Hinweis auf fehlerhafte Angaben zum Ausbildungsweg in anderer Literatur)
↑Akademie der Künste, Berlin, PrADK I.0057, Blatt 95
↑Thomas Drebusch, bruno paul – schönheit ist freude, ikonom Verlag, Soest 2019, S. 31.
↑vgl. Landesarchiv Berlin: Personenakte der Reichskammer der Bildenden Künste; A Rep 243-04 Nr. 6535
↑Thomas Drebusch, bruno paul – schönheit ist freude, ikonom Verlag, Soest 2019, S. 33.
↑Eberhard Mertens (Hrsg.): Die Lloyd-Schnelldampfer. Kaiser Wilhelm der Große, Kronprinz Wilhelm, Kaiser Wilhelm II., Kronprinzessin Cecilie. Olms Presse, Hildesheim 1975, ISBN 3-487-08110-5, S. 14.
↑Franz Schulze: Mies van der Rohe. Leben und Werk. Berlin 1986, S. 34f.
↑Hans M. Wingler: Das Bauhaus. 3. Auflage, Bramsche 1975, S. 236ff.
↑Thomas Drebusch: Die Soester Villen. In: Alfred Ziffer (Hrsg.): Bruno Paul. Deutsche Raumkunst und Architektur zwischen Jugendstil und Moderne. München 1992.
↑Přemysl Veverka, Radomíra Sedláková, Dita Dvořáková, Petr Krajči, Zdeněk Lukeš, Pavel Vlček: Great Villas of Prague, Foibos, Prag 2009, ISBN 978-80-87073-01-8, S. 122f.
↑Valentin Fuhrmann: Ein Landhaus in Westfalen. Von Prof. Bruno Paul u. Reg. Baum. Franz Weber. In: Innen-Dekoration, Jg. 42, 1931, S. 146–161 (Digitalisat).