Die Fields-Medaille, offizieller Name International Medal for Outstanding Discoveries in Mathematics (deutsch: „Internationale Medaille für herausragende Entdeckungen in der Mathematik“), ist eine der höchsten Auszeichnungen, die ein Mathematiker erhalten kann. Sie ist nach ihrem Stifter benannt, dem kanadischen Mathematiker John Charles Fields (1864–1932), und wurde das erste Mal 1936 vergeben. Seit 1950 wird sie alle vier Jahre von der Internationalen Mathematischen Union (IMU) anlässlich des Internationalen Mathematikerkongresses (ICM) an zwei bis vier Mathematiker verliehen, die jünger als 40 Jahre sind und sich in besonderer Weise auf dem Gebiet der mathematischen Forschung hervorgetan haben (so formell definiert seit 1966). Mit der Verleihung ist ein Preisgeld von 15.000 kanadischen Dollar verbunden. Beim ICM werden gleichzeitig drei weitere Preise verliehen: der Carl-Friedrich-Gauß-Preis für Beiträge zur angewandten Mathematik, die IMU-Abakus-Medaille für Beiträge zur theoretischen Informatik und die Chern-Medaille für herausragendes Lebenswerk auf höchstem Niveau.
Das vom Exekutivkomitee der IMU bestimmte Auswahlkomitee, dessen Mitglieder mit Ausnahme des Vorsitzenden bis zur Preisverleihung geheim bleiben, hat die Aufgabe, mindestens zwei, vorzugsweise aber vier Empfänger auszuwählen, die eine Vielfalt von Gebieten in der Mathematik repräsentieren. Der Begründer des Preises John Charles Fields betrachtete als Grundprinzipien für die Auszeichnung die Lösung eines schwierigen Problems und die Formulierung einer neuen Theorie, die die Anwendungsbereiche der Mathematik erweitert.[1]
Die Empfänger der Medaille müssen zu Beginn des Jahres, in dem sie ausgezeichnet werden, jünger als 40 Jahre sein. Die 1966 formalisierte und später weiter präzisierte Regel geht zurück auf die bei der Einrichtung von Fields formulierte Erwartung, “that […] while it was in recognition of work already done, it was at the same time intended to be an encouragement for further achievement on the part of the recipients […]” (deutsch: „dass, auch wenn es in Anerkennung bereits getaner Arbeit war, es zugleich als Ansporn zu weiteren Leistungen seitens der Empfänger gedacht war“).
Dies verhinderte zum Beispiel die Verleihung an Andrew Wiles (* 1953), dem der Beweis des Modularitätssatzes (aus dem der Große fermatsche Satz folgt) erst 1993 teilweise und 1995 vollständig gelang. Wiles erhielt stattdessen auf dem ICM 1998 in Berlin eine Sonderauszeichnung der IMU, verbunden mit einer Silberplakette. Auch Anfang des 20. Jahrhunderts geborene Mathematiker wie Kolmogorow, Cartan, Weil, Leray, Pontrjagin, Chern und Whitney wurden durch die Alterseinschränkung ausgeschlossen, da die Auszeichnung zwischen 1936 und 1950 nicht verliehen wurde.[1] Diese Nichtverleihung erfolgte, weil sich die IMU aufgrund diverser Zwistigkeiten 1936 offiziell aufgelöst hatte.
Die Medaille
Die von der Royal Canadian Mint geprägte Medaille ist aus 14-karätigem Gold und hat einen Durchmesser von 63,5 mm.[2] Das Design wurde 1933 vom kanadischen Bildhauer Robert Tait McKenzie (1867–1938) gestaltet.
Auf der Vorderseite ist der Kopf von Archimedes dargestellt, daneben befinden sich die Inschrift ΑΡΧΙΜΗΔΟΥΣ (griechisch ‚von Archimedes‘), der antike Sinnspruch TRANSIRE SVVM PECTVS MVNDOQVE POTIRI[3] (lateinisch „Den eigenen Verstand überschreiten und sich der Welt bemächtigen“) und die Initialen RTM des Künstlers mit der (beim zweiten M schlecht lesbar geschriebenen) römischen Zahl MCMXXXIII für das Jahr 1933.
Die Rückseite trägt die Inschrift CONGREGATI / EX TOTO ORBE / MATHEMATICI / OB SCRIPTA INSIGNIA / TRIBVERE (lateinisch „Die aus der ganzen Welt zusammengekommenen Mathematiker verliehen [die Medaille] aufgrund ausgezeichneter Schriften“), dahinter ist ein Lorbeerzweig vor einem Diagramm einer einem Zylinder einbeschriebenen Kugel, das auf dem Grabstein von Archimedes eingraviert gewesen sein soll, abgebildet. Auf dem Rand ist der Name des Preisträgers eingeprägt.
Geschichte
Der Mathematiker John Charles Fields war Präsident des Organisationskomitees des ICM 1924 in Toronto, Kanada. Das Komitee hatte nach Abschluss der Planung einen Überschuss von etwa 2.700 kanadischen Dollar und beschloss, 2.500 davon für die Auszeichnung zweier verdienter Mathematiker bei einem der nächsten Kongresse zu verwenden. Als Fields 1932 starb, vermachte er der geplanten Stiftung 47.000 kanadische Dollar. Die Medaille wurde entgegen seinem ausdrücklichen Wunsch, dass sie international und unpersönlich und daher mit keinem Namen verbunden sein sollte, unter seinem Namen bekannt. Das Preisgeld betrug zunächst 1.500 kanadische Dollar und stieg 1983 auf 3.000, 1986 auf 6.000 und 1990 auf 15.000 kanadische Dollar. Über die Kriterien legte sich Fields weniger fest und ließ dem Komitee viel Freiheit: Der Preis sollte als Anerkennung für bereits geleistete Arbeit (in recognition of work already done) und als Ansporn für weitere Entwicklung (an encouragement for further achievement) verliehen werden. Wichtig war Fields die Vermeidung internationaler Rivalitäten, die den Internationalen Mathematikerkongress damals überschatteten.
Die ersten zwei Fields-Medaillen wurden 1936 verliehen, dem ersten Auswahlkomitee gehörten Birkhoff, Carathéodory, Cartan, Severi und Takagi an. Eine anonyme Stiftung ermöglicht es seit 1966, die Fields-Medaille an bis zu vier Mathematiker zu vergeben. 1990 erhielt Edward Witten als erster und bisher einziger Physiker den Preis. 2014 wurde die erste Frau, Maryam Mirzakhani, ausgezeichnet. Sie verstarb 2017 im Alter von 40 Jahren an Krebs. 2022 erhielt Maryna Viazovska als 2. Frau den Preis.
Die Kriterien änderten sich im Laufe der Zeit. Anfangs wurden die Medaillen nicht so sehr den bedeutendsten Mathematikern verliehen, sondern noch wenig anerkannten, deren Potential am höchsten eingeschätzt wurde. So erhielt 1950 nicht André Weil die Medaille, sondern Laurent Schwartz (im Vergleich zu Weil relativ unbekannt, aber vom Komiteevorsitzenden Harald Bohr favorisiert).[4]Friedrich Hirzebruch erhielt die Medaille 1958 vor allem deswegen nicht, weil er nach Ansicht des Komiteevorsitzenden Heinz Hopf bereits etabliert war. Erst auf dem ICM 1966 einigte man sich nach einem Vorschlag von Georges de Rham auf eine Altersgrenze von 40 Jahren, da dies der Altersverteilung der bisher Ausgezeichneten im Verleihungsjahr am nächsten kam.
Der Mathematiker Grigori Perelman, ein Experte auf dem Gebiet des Ricci-Flusses, sollte im Jahr 2006 den Preis für seinen 2002 veröffentlichten Beweis der Poincaré-Vermutung erhalten, lehnte die Auszeichnung jedoch als bisher Einziger ab.
Bis 2018 wurden in 19 Verleihungen insgesamt 59 Mathematiker mit der Fields-Medaille ausgezeichnet. In sieben Verleihungen wurden je zwei, in drei Verleihungen je drei und in neun Verleihungen je vier Medaillen vergeben.
Der bei der ersten Verleihung ausgezeichnete Jesse Douglas starb als erster Fields-Medaillen-Träger. Seit dem Tod von Klaus Friedrich Roth im November 2015 ist der inzwischen 98-jährige Jean-Pierre Serre der älteste noch lebende Träger. Damit ist er auch älter als inzwischen verstorbene Fields-Medaillen-Träger je waren. Den Rekord des höchstens Alters beim Ableben hält nämlich Atle Selberg mit 90 Jahren und 53 Tagen, dicht gefolgt von Klaus Friedrich Roth mit 90 Jahren und 12 Tagen. Am frühsten starb die Preisträgerin Maryam Mirzakhani, nämlich bereits 72 Tage nach ihrem 40. Geburtstag. Die anderen 17 bereits verstorbenen Preisträger erreichten zumindest das 52. Lebensjahr.
Jean-Pierre Serre, der den Preis 1954 im Alter von 27 Jahren erhielt, ist derjenige Preisträger, der bei der Verleihung am jüngsten war. Der derzeit jüngste Träger ist der 37-jährige Peter Scholze, gefolgt vom 40-jährigen Alessio Figalli. Neben diesen beiden gibt es nur noch zwei weitere Preisträger, die noch unter 40 sind. Sechs Medaillenträger bekamen ihre Medaille in dem Jahr, in dem sie 40 wurden, reizten das Maximalalter also aus. 28, also knapp die Hälfte, bekamen die Medaille in einem Jahr, in dem sie älter als 36 wurden. Damit war es für sie der letztmögliche Zeitpunkt, mit einer Fields-Medaille ausgezeichnet zu werden.
Beiträge zur Funktionentheorie in höheren Dimensionen durch Entdeckung der korrekten Verallgemeinerungen klassischer Resultate in niedrigen Dimensionen (Funktionentheorie)
Beiträge zur Zahlentheorie, Entwicklung mächtiger neuer Methoden in der Geometrie der Zahlen zum Beispiel in einer neuen Interpretation und Erweiterung der Kompositionsgesetze quadratischer Formen von Gauß und Schranken für den gemittelten Rang elliptischer Kurven
Beweis der Beschränktheit von Fano-Varietäten und Beiträge zum von Shigefumi Mori initiierten Programm minimaler Modelle in der birationalen Klassifikation algebraischer Varietäten in mehr als drei Dimensionen
Synthese aus analytischer Zahlentheorie, homogener Dynamik, Topologie und Darstellungstheorie und die damit erzielte Lösung lange offener Vermutungen über die Gleichverteilung zahlentheoretischer Objekte
Für die Lösung langjähriger Probleme in der probabilistischen Theorie von Phasenübergängen in der statistischen Physik, insbesondere in den Dimensionen drei und vier.
Für die Übertragung der Ideen der Hodge-Theorie auf die Kombinatorik, den Beweis der Dowling-Wilson-Vermutung für geometrische Gitter, den Beweis der Heron-Rota-Welsh-Vermutung für Matroide, die Entwicklung der Theorie der Lorentzschen Polynome und den Beweis der Starken Mason-Vermutung.
Für den Beweis, dass das E8-Gitter die dichteste Packung identischer Kugeln in 8 Dimensionen liefert, und weitere Beiträge zu verwandten Extremalproblemen und Interpolationsproblemen in der Fourier-Analyse.
Preiskomitee
Die Preiskomitees bestehen in der Regel aus neun Mathematikern, die von ICM zu ICM wechseln, wobei vor der Preisverleihung nur der Vorsitzende des aktuellen Komitees bekanntgegeben wird. Der Vorsitzende ist in der Regel der Präsident der IMU und die Komiteemitglieder werden vom Exekutivkomitee der IMU bestimmt. Mitglieder des Komitees waren:[6]
Die Fields-Medaille wird wegen ihres langjährigen höchsten Prestiges oftmals als gleichrangiger Ersatz für einen nicht existierenden Nobelpreis für Mathematik angesehen. Mit dem 2002 gestifteten Abelpreis gibt es jedoch ein neueres Gegenstück, das durch die fehlende Altersbeschränkung, die jährliche Verleihung, das erheblich höhere Preisgeld und das skandinavische Auswahlkomitee den Nobelpreisen ähnlicher ist.
Trivia
Caucher Birkar, einem der Preisträger von 2018, wurde kurz nach der Verleihung die Medaille gestohlen,[7] sie wurde ihm aber ersetzt.[8]
Literatur
Henry S. Tropp: The Origins and History of the Fields Medal. Historia Mathematica 3, Mai 1976, S. 167–181 (englisch).
Michael Atiyah, Daniel Iagolnitzer (Hrsg.): Fields medallists’ lectures. World Scientific / Singapore University Press, Singapur 1997, ISBN 981-02-3102-4 (englisch, französisch).
Michail Monastyrski: Modern mathematics in the light of the Fields medals. A. K. Peters, Wellesley 1998, ISBN 1-56881-065-2 (englisch).
E. M. Riehm, F. Hoffman: Turbulent Times in Mathematics: The Life of J.C. Fields and the History of the Fields Medal. American Mathematical Society & Fields Institute, 2011.
Guillermo P. Curbera: Interlude. Awards of the ICM. In: Mathematicians of the world, unite! A. K. Peters, Wellesley 2009, ISBN 978-1-56881-330-1, S. 109–123 (englisch).
Alejandro López-Ortiz: Fields Medal. Historical Introduction. In: cs.uwaterloo.ca. 1998, abgerufen am 31. Dezember 2018 (englisch, mit dem Text des Briefes von J. C. Fields).
Michael Barany: The Myth and the Medal. (PDF; 840 kB) In: ams.org. Notices AMS, Januar 2015, abgerufen am 31. Dezember 2018.