Die Gemeinde Galtür besteht aus einer einzigen, gleichnamigen Katastralgemeinde und Ortschaft.
Zur Gemeinde gehören neben dem Dorf Galtür die Rotten Aussertschafein, Gampele, Mais, Maißle, Tschafein, Unterrain und Wirl, der Weiler Lenzenhäuser, die zerstreuten Häuser Jamtal sowie zahlreiche Einzelhöfe und Alpen.
Die romanischen Siedler, die die Almen rings um den damals noch versumpften Talboden am Zusammenfluss von Vermunt- und Jambach besetzten, hatten – wie aus den Gründungsaufzeichnungen von Kloster Schuls von 1089/96 hervorgeht[1] – Zinsverpflichtungen (Käse-Zinse) gegenüber Grundherren im Unterengadin und im Vinschgau, die über 700 Jahre anhielten. An die Kultivierungsarbeit der Engadiner wird noch heute mit dem Namen Galtür (Cultura) erinnert. Es bestand eine enge Verbindung mit dem Engadin. So wurden teilweise in 2500 m bis 2800 m Höhe Saumpfade und Karrenwege über die Silvretta-Pässe angelegt, die von einem lebhaften Handelsverkehr zeugen.
Um 1300 erfolgte die Zuwanderung durch eingewanderte Walser aus dem Montafon, die bei den rätoromanischen Grundherren gern gesehen waren[2]. Noch im 19. Jahrhundert sollen die churrätisch-bünderischen, walserischen und oberlandtirolischen Einschläge in der Sprechweise und Physiognomie der Einheimischen erkennbar gewesen sein.[3]
Im Dreißigjährigen Krieg wurde Galtür geplündert. Die Kirche und viele Häuser gingen in Flammen auf. Das Dorf hat sich lange nicht von diesen Schäden erholt, und die aufgelaufenen Steuerschulden wurden erst im Jahre 1645 erlassen.
Im 18. Jahrhundert wurde Galtür von „weitblickenden“ Pfarrern zu einem bekannten Wallfahrtsort gemacht.
In den Jahren 1776 bis 1778 konnte die Kirche mit Hilfe privater Spenden zum noch heute bestehenden Barockbau umgestaltet werden. Wesentlich dazu beigetragen hat ein 1722 gegründeter „Seelenbund“, der bis heute existiert.
Die ersten durch das Paznaun führenden Straßen wurden im 19. Jahrhundert gebaut. Dadurch wurde Galtür von vielen Reisenden entdeckt. Galtür bestand zu der Zeit noch aus einer Kirche, einem Gasthaus und 7 bis 8 Hütten und konnte als sehr ärmlich bezeichnet werden. Mit der neuen Anbindung wurden billige Lebensmittel verfügbar, die Preise verfielen und die Bergbauern verarmten weiter. Zeitweise wurden die uralten Wege und hohen Pässe als Schmugglerpfade verwendet, um das nackte Überleben zu sichern.
Mit den von der Silvretta begeisterten Bergsteigern ging es wieder aufwärts. Dem Bau der Jamtalhütte folgte bald das erste Hotel. Mit den Touristen kam erneut Leben und Wohlstand in das Tal. Ab Mitte des 20. Jahrhunderts entwickelte sich die Gemeinde von einer landwirtschaftlich geprägten zu einer Tourismusgemeinde mit Schwerpunkt im Wintertourismus.
Ein früher Skitourist war Ernest Hemingway, in dessen Kurzgeschichte An Alpine Idyll Galtür der Schauplatz ist.
Das Paznaun ist schon seit alters her hochgradig lawinengefährdet. Jüngste Ereignisse sind:
Lawinenkatastrophe von Galtür: Am 23. Februar 1999 wurde Galtür von einer Lawine heimgesucht, die 31 Menschenleben forderte. Aufgrund starker Schneefälle war der Ort im Februar 1999 von der Außenwelt abgeschnitten, nur mittels Hubschrauber konnten Hilfsmannschaften ein- und Urlauber ausgeflogen werden.
Am 28. Dezember 1999 wurde unweit der Jamtalhütte (2165 m) eine von Bergführern des DAV Summit Club geführte Gruppe auf dem Rückweg vom Rußkopf von einer Lawine erfasst. 14 Personen wurden verschüttet, 9 konnten nur noch tot geborgen werden.
Der Felssturz samt Gipfel vom Fluchthorn am 11. Juni 2023 lief als Mure auf der österreichischen Westseite mehr als 2 km weit, doch verletzte nach erster Einschätzung keinen Menschen.[4]
Galtür mit Blick ins Jamtal
Galtür um 1890
Gedenkstätte für die Lawinenopfer von 1999 auf dem Friedhof Galtür
Das Skigebiet Galtür verfügt über 8 Liftanlagen und 40 km präparierte Pisten. Das Skigebiet geht von 1635 m bis zu 2297 m über dem Meeresspiegel. Es gibt 2 Seilbahnen, 2 Sesselbahnen, 5 Schlepplifte, Förderbänder, 40 km präparierte Pisten (davon 4 km blaue, 24 km rote und 12 km schwarze Piste), 20 km Tiefschneevarianten, Ski- und Snowboardschule, 74 km Langlaufloipen (Loipen und Skiwanderwege), Nachtskilauf (2,2 km beleuchtete Piste) und einen beleuchteten Eislaufplatz.
Eine Besonderheit ist die Möglichkeit, im Rahmen einer fachlich begleiteten Skisafari das Paznauntal über die Bielerhöhe zu verlassen und ins Montafon abzufahren. Als Aufstiegshilfe auf Paznauner Seite dient eine Pistenraupe mit angehängtem Schleppseil. Die Rückkehr ist mit einer Standseilbahn in Partenen (Vermuntbahn) und anschließendem Bustransfer zurück zum Silvretta-Stausee möglich. Dies ist im Winter die einzige kurze Verbindung zur Bielerhöhe ohne Tourenski.
Tourismus im Sommer
Über 250 km Wander-, Spazier- und Nordic-Walking-Wege; 5 Schutzhütten, 4 Almen und 2 Gasthöfe. 36 markierte Mountainbike-Wege in der Silvretta-Mountainbike-Arena. Natursteinkletterwand; 2 Tennisfreiplätze, Beach-Volleyball-Platz, Street-Soccer, Kinderspielplatz
Auf der Bielerhöhe am (Vorarlberger) Silvretta-Stausee verkehrt Europas höchstgelegenes Linienschiff.
Alpinarium Galtür: Ein Museum zur Lawinenkatastrophe von Galtür 1999, mit Sonderausstellungen, 220-m²-Indoor-Kletterwand, Café, Internetlounge und Seminarräumen.
Norbert Walter (* 1968) ist ein Politiker, Landtagsabgeordneter und Gemeinderat in Wien
Literatur
Gemeinde Galtür (Hrsg.): Galtür. Zwischen Romanen, Walsern und Tirolern. Gemeinde Galtür, Galtür 1999, ISBN 3-85123-121-X.
Günther Gross: Die geschichtliche Bedeutung der Gebirgspässe zwischen Montafon, Paznaun und Graubünden (Silvretta- und Rätikongruppe). 1975.
Walter Köck: 80 Jahre im Paznaun. Zeit zu lachen, Zeit zu weinen, Zeit zu sammeln. 1. Auflage. Eigenverlag, Galtür 2003.
Walter Köck: Ins Paznaun geschaut. Geschichten, Begegnungen, Erinnerungen; ein Lesebuch. 1. Auflage. Eigenverlag, Galtür 1992.
Walter Köck: Sturm über Galtür. Im lawinen-, kapellen- und sagenreichen Paznaun. 1. Auflage. Eigenverlag, Galtür 2000.
Johannes Schueller: Faksimiledruck mit Übertragung vom Galtür Büchlein aus dem Jahre 1774. Hrsg.: Erwin Cimarolli. Eigenverlag, Ischgl 1992 (Originaltitel: Denckwürdige Begebenheiten alda zu Galthüren).
Marialuise Haslinger: Die Flurnamen von Galtür. In: Gemeinde Galtür (Hrsg.): Galtür. Zwischen Romanen, Walsern und Tirolern. Gemeinde Galtür, Galtür 1999, S.52–62.
Nikolaus Huhn: Galtür und Ardez. Geschichte einer spannungsreichen Partnerschaft. Wagner, Innsbruck 1999, ISBN 3-7030-0329-4.
Oswald Jäger, Shi-Guang Wu: Krisenmanagement und der Einfluss von Naturkatastrophen auf den Tourismus. Dargestellt am Beispiel des Lawinenunglücks in Galtür. Innsbruck 2004 (Diplomarbeit).
Sven Fuchs, Khakzadeh, Weber (Hrsg.): Recht im Naturgefahrenmanagement. Studien-Verlag, Innsbruck 2006, ISBN 978-3-7065-4326-2 (Die Fortsetzung der rechtlichen Auseinandersetzung aus wissenschaftlicher Sicht).
Weblinks
Commons: Galtür – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
↑Martin Bitschnau, Hannes Obermair: Tiroler Urkundenbuch, II. Abteilung: Die Urkunden zur Geschichte des Inn-, Eisack- und Pustertals. Band 1: Bis zum Jahr 1140. Universitätsverlag Wagner, Innsbruck 2009, ISBN 978-3-7030-0469-8, S.234, Nr. 266.
↑„Als der Bischof von Chur im Jahre 1383 die erste Kirche in Galtür weihte, unterscheidet er ausdrücklich die „Einheimischen“ von den „Wallisern“. Auch beim Friedensschluss der Appenzeller mit ihren fürstlichen Gegnern werden 1408 die „Walliser auf Galtür“ neben den „Landleuten im Paznaun“ angeführt.“ Zitiert aus Michael Fritz: Galtür. In: Geschichte Tirol → Gemeindegeschichte → Nordtirol. fontes historiae, abgerufen am 16. Juli 2011.
↑Joh. Zangerl: Notizen über das Thal Paznaun. In: Neue Zeitschrift des Ferdinandeums. 10. Band, 1844. Zitiert in Anton von Ruthner: Aus Tirol. Berg- und Gletscherreisen in den Oesterreichischen Hochalpen. Carl Gerold’s Sohn, Wien 1869, Durch Unterpatznaun nach Ischgl. […], S.447 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).