Grammatik der litauischen SpracheDie Grammatik der litauischen Sprache ist insbesondere durch Flexion gekennzeichnet und darin dem Lateinischen, dem Altgriechischen oder dem Sanskrit ähnlich, insbesondere in seiner Fixierung auf die Endungen zur Angabe des Kasus und in der unbeschränkten Voranstellung von bestimmenden Adjektiven und Substantiven vor dem eigentlichen Substantiv und deren Verschränkung. Das Litauische kommt im Wesentlichen mit vier Zeiten aus (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft; wobei zwischen einmaliger und mehrmaliger Vergangenheit unterschieden wird: ėjo „er ging“ – eidavo „er ging regelmäßig“). Die Funktion von Artikeln wird im Litauischen von bestimmten Adjektivformen übernommen. Es gibt die Numeri Singular und Plural, historisch und in einzelnen Dialekten sowie in der Literatur ist auch der Dual anzutreffen. Verwendete Genera sind männlich und weiblich; sächliche Formen treten nur bei Adjektiven, Partizipien und Demonstrativpronomina auf. Neben Indikativ und Imperativ gibt es den Konjunktiv, in der Vergangenheit allerdings nur als zusammengesetzte Zeitform. Auffällig sind die zahlreichen Partizipien. Für jede Zeitform existiert ein aktives und ein passives Partizip; lediglich für die mehrmalige Vergangenheit existiert nur ein aktives Partizip. Mit Hilfe dieser Partizipien lassen sich auch zusammengesetzte Zeitformen im Aktiv und Passiv bilden. Hinzu kommen spezielle Formen des Gerundiums für jede Zeitform, ein Gerundivum sowie ein Adverbialpartizip. MorphologieSubstantivLitauische Substantive sind entweder männlich oder weiblich. Die Beugung ist durch großen Formenreichtum gekennzeichnet, wobei die Formen jedoch weitgehend regelmäßig gebildet werden und sich zumeist aus der Grundform erschließen lassen. Bei einigen Wörtern lassen sich Lautwandel im Stammauslaut beobachten, die jedoch einfachen Regeln folgen. Der Wortakzent ist beweglich; er lässt sich in den meisten Fällen nur bei Kenntnis der Intonationsklasse korrekt anwenden. GenusDie Nominativendung gestattet in den meisten Fällen die Feststellung, ob es sich um weibliche oder männliche Substantive handelt: -as, -us, -ys sind immer männlich, -a, -ė für gewöhnlich weiblich, nur -is ist mehrdeutig. -uo ist fast stets männlich, lediglich sesuo „Schwester“ ist weiblich. Einige Substantive auf -a oder -ė bezeichnen männliche Personen; diese werden dann auch grammatisch männlich gebraucht, z. B. kolega „Kollege“, dėdė „Onkel“. Außerdem gibt es Substantive auf -a oder -ė, welche sowohl für männliche als auch für weibliche Personen gebraucht werden können, z. B. elgeta „Bettler(in)“, mėmė „schweigsamer Mensch“. Von einigen Grammatiken werden diese als Neutrum oder als „gemeinsames Geschlecht“ (bendroji giminė) bezeichnet. Sie sind je nach Kontext grammatisch weiblich oder männlich. Übersicht über die BeugungsklassenDas litauische Substantiv besitzt fünf Beugungsklassen:
Die litauische Sprache kennt zahlreiche Pluraliatantum aller Beugungsklassen, z. B. rytai „Osten“ (1. Klasse), svarstyklės „Waage“ (2. Klasse), durys „Tür“ (3. Klasse), pietūs „Süden, Mittag“ (4. Klasse) oder smegenys „Gehirn, Knochenmark“ (5. Klasse). Auch zahlreiche Ortsnamen sind Pluraletanta, z. B. Šiauliai (1. Klasse) oder Kaišiadorys (3. Klasse). Da der Nominativ Plural in der 3., 4. und 5. Klasse nie die Endung betont, lassen sich bei Kenntnis der Betonung die Pluraletanta der 3. oder 5. Klasse gut von den Singularformen auf -ys (1. Klasse) unterscheiden. Übersicht über die IntonationsklassenAlle litauischen Substantive, Adjektive und Pronomina gehören einer von vier Intonationsklassen an:
Da man die betonte Silbe in der 3. Klasse nicht immer aus der Nennform erschließen kann, wird diese Klasse weiter untergliedert: Ohne weitere Angaben trägt der Wortstamm den Stoßton auf der vorletzten Silbe (d. h. auf der letzten Stammsilbe). Liegt der Ton auf der drittletzten Silbe, so wird stoßtönige Intonation als der Klasse 3a zugehörig betrachtet (z. B. vanduõ, Akkusativ vándenį „Wasser“), während schleiftönige oder kurze Akzente auf der drittletzten Silbe die Klasse 3b kennzeichnen (z. B. akmuõ, Akkusativ ãkmenį „Stein“). Liegt die Stammbetonung noch weiter am Wortanfang, wird dies durch eine zusätzliche hochgestellte Ziffer gekennzeichnet, z. B. enthält die Klasse 34b Wörter, die ihren Stamm schleiftönig oder kurz auf der viertletzten Silbe betonen, z. B. paplūdimỹs (Akkusativ pãplūdimį) „Badestrand“. Ob die Stammsilbe in den Intonationsklassen 2, 3xb und 4 kurz betont wird oder ob sie den Schleifton erhält, richtet sich nach dem Vokal oder Diphthong der zu betonenden Silbe: Handelt es sich um ein einfaches i oder u, so wird die Silbe kurz betont. In Fremdwörtern wird auch einfaches e kurz betont. Alle anderen Vokale und Diphthonge (auch gemischte Diphthonge) sowie e in heimischen Wörtern erhalten den Schleifton. Viele Wörterbücher geben hinter dem Lemma die Intonationsklasse in Klammern an. Dativ und Akkusativ Singular tragen die Betonung immer auf dem Stamm, der Akkusativ Plural gehorcht der Regel der vorletzten Silbe. Im Plural betonen Genitiv, Dativ, Instrumental und Lokativ von Wörtern der 1. oder 2. Intonationsklasse den Wortstamm; bei Wörtern der 3. oder 4. Intonationsklasse wird die Endung betont. In allen anderen Fällen ist die Betonung auch abhängig von der Beugungsklasse und wird an entsprechender Stelle erläutert. 1. Beugungsklasse (männlich)
Der Vokativ der Substantive auf -as trägt bei Eigennamen die Endung -ai, sonst -e. Soll ein Gattungsbegriff als Eigenname gebraucht werden, kann ebenfalls -ai verwendet werden; so wird der kleine Prinz in der gleichnamigen Erzählung immer als mažasis princai angeredet. Bei Substantiven auf -ys trägt der Vokativ die Endung -e, falls das Wort der 1. oder 2. Intonationsklasse angehört, sonst die Endung -y. In Verkleinerungsformen wird der Vokativ häufig ohne Endung gebildet, so wird aus tėvelis „Väterchen“ in der Anrede tėvel, aus broliukas „Brüderlein“ wird broliuk. In dieser Beugungsklasse wird der Genitiv Singular immer auf dem Stamm betont, die Nominativendung -as ist ebenfalls nie betont. Im Vokativ Singular werden die Endungen -e, -ai und -i nicht betont. Die Betonung des Instrumentalis Singular richtet sich nach der Regel der vorletzten Silbe. Der Lokativ auf -e wird nur in der 1. Intonationsklasse auf dem Stamm betont, sonst auf der Endung. Die übrigen Wortformen, die nicht in der Übersicht erläutert wurden, tragen die Betonung in der 1. und 2. Intonationsklasse auf dem Stamm, in der 3. und 4. Klasse auf der Endung. 2. Beugungsklasse (weiblich)
In dieser Beugungsklasse werden Vokativ Singular sowie Nominativ und Vokativ Plural immer auf dem Stamm betont. Der Instrumental Singular gehorcht der Regel der vorletzten Silbe. Genitiv und Lokativ Singular sowie der Nominativ auf -ė betonen in der 1. und 2. Intonationsklasse den Stamm, sonst die Endung. Die Nominativendung -(i)a wird nur in der 1. Intonationsklasse nicht betont. 3. Beugungsklasse (meist weiblich)Einige männliche Substantive sind auch in dieser Beugungsklasse zu finden: dantis „Zahn“, debesis „Wolke“, vagis „Dieb“, žvėris „Tier“ und wenige andere.
Die kurze Genitivendung -s tragen móteris (móters) „Frau“ sowie obeli̇̀s (obel̃s) „Apfelbaum“. Im Plural erhält der Genitiv für gewöhnlich die Endung -ių; das i fällt jedoch bei einigen Wörtern aus, zu denen sehr häufig gebrauchte Wörter gehören, z. B. móterų „der Frauen“, žąsų̃ „der Gänse“, ausų̃ „der Ohren“, naktų̃ „der Nächte“. Im Plural werden der Nominativ und der Vokativ immer auf dem Stamm betont. Alle anderen Fälle, die nicht in der Übersicht erläutert wurden, tragen die Betonung in der 1. und 2. Intonationsklasse auf dem Stamm, sonst auf der Endung. Die Wörter petỹs „Schulter“ und viẽšpats „Herr“ (heute meist im Sinne von „Gott“) werden im Singular der 3. Beugungsklasse zugerechnet. Der Instrumental von viešpats lautet jedoch viešpačiu, bei petys sind sowohl petimi als auch pečiu zulässig. Im Plural tragen diese Wörter die Endung -iai und werden nach der 1. Klasse gebeugt. 4. Beugungsklasse (männlich)
In dieser Beugungsklasse wird die Pluralendung -ūs nie betont. Alle anderen Wortformen, die nicht in der Übersicht erläutert wurden, tragen die Betonung in der 1. und 2. Intonationsklasse auf dem Stamm, sonst auf der Endung. Das Wort žmogùs „Mann, Mensch“ folgt im Singular der 4. Deklinationsklasse, im Plural ändert es aber den Stamm in žmonė- und flektiert wie ein Substantiv der 2. Klasse auf -ė (Nom. žmonės, Gen. žmonių usw.), bleibt aber männlich. 5. Beugungsklasse
Für die beiden weiblichen Wörter dieser Intonationsklasse, sesuõ „Schwester“ und duktė̃ „Tochter“, sind im Vokativ sowohl die langen Endungen (seseriẽ, dukteriẽ) als auch Kurzformen (sẽse, dùkte) in Gebrauch. Im Plural betonen Nominativ und Vokativ immer den Stamm. Der Instrumentalis Singular genügt der Regel der vorletzten Silbe. (In der Praxis bedeutet das, dass hier auch immer der Stamm betont wird, da die Endung selbst zweisilbig ist, die Stammbetonung also nie auf die vorletzte Silbe fällt. Die einzige Ausnahme ist šuniù „mit dem Hund“, da sonst die vorletzte Silbe kurz betont werden müsste.) Alle anderen Fälle, die nicht in der Übersicht erläutert wurden, tragen die Betonung in der 1. und 2. Intonationsklasse auf dem Stamm, in der 3. und 4. Klasse auf der Endung. Häufigkeit der BeugungsklassenWörter, die nach der 3. und insbesondere der 5. Klasse dekliniert werden, sind relativ selten, oft sind es alte Wörter mit genauen Entsprechungen in anderen indogermanischen Sprachen. Daneben finden sich in diesen Klassen aber auch die Endungen -tis (z. B. stotis – Bahnhof, Station zu stoti – anhalten) und -muo (z. B. duomuo, meist Mehrzahl duomenys – Daten zu duoti – geben). In der 4. Klasse findet man neben einigen alten Wörtern vor allem Fremdwörter auf -orius, z. B. akumulatorius, direktorius oder -jus, z. B. tramvãjus (wesentlich häufiger sind Adjektive auf -us, siehe das Kapitel zu Adjektiven). Unter Einbeziehung der genannten Endungen kann man sagen, dass alle Deklinationsklassen noch produktiv sind. Die meisten Wörter und auch die meisten Neubildungen gibt es allerdings in der 1. und 2. Klasse, dort sind aber fast alle existierenden Varianten produktiv. Sekundäre LokalkasusDie ostbaltischen Sprachen haben vier sekundäre Lokalkasus entwickelt:
Heute werden jedoch nur Inessiv und Illativ verwendet, wobei der Illativ fast immer mit einer Präpositionalphrase paraphrasiert wird (z. B. į mišką statt miškan). Illativ verwendet man öfter in den Mundarten (im Süd- und Ostoberlitauischen); in der Alltags- und Amtssprache selten, nur bestimmte Phrasen, die bekannt sind, z. B., patraukti baudžiamojon (administracinėn, drausminėn) atsakomybėn – „zur strafrechtlichen (verwaltungsrechtlichen, disziplinarrechtlichen) Verantwortung hinziehen“ (diese Redewendungen sind sogar in litauischen Gesetzbüchern – StGB, VwGB, ArbeitsGB und anderen Rechtsakten verankert). Der Allativ ist relikthaft in Adverbien erhalten, z. B. galop „am Ende“, velniop „zum Teufel“ und vakarop „zum Abend hin“. Der alte indogermanische Lokativ ist ebenfalls nur relikthaft erhalten, z. B. in namie „zu Hause“ (wogegen als Innovation der Inessiv name „im Haus“). Auch der Instrumental kann teilweise eine Lokalbedeutung innehaben, z. B. mišku „durch den Wald“. Allativ und Adessiv werden zum Teil noch in litauischen Dialekten in Belarus verwendet; in Gervėčiai mit der Endung -k statt -p(i). Der Adessiv kann in einigen Mundarten einen Besitz ausdrücken, z. B. manip šuo „bei mir ist ein Hund“, ein Agens, z. B. jamp mašina nupirkta „bei ihm ist ein Auto gekauft“ oder für eine andere Form (Kasus/Präposition) stehen, z. B. paklausk tėviep „Frag beim Vater“. Der Illativ kann auch einen Zeitraum ausdrücken, z. B. vasaron „im Sommer“, vakaran „in den (zum) Abend“, dienon „in den Tag“; die sehr archaische Form davon ist bis heute bewahrt und oft verwendet: šiandie(n), von šian dienan – (šią dieną) – „diesen Tag“. Im nordwestlichen Belarus gibt es einige kleinere litauische Sprachinseln (Zietela, Gervėčiai, Lazūnai), deren Mundart besonders archaisch ist. Die dortigen Dialekte bewahrten beispielsweise alle vier Lokalkasus und teilweise auch den Dual. Andererseits wurden sie in hohem Maß vom dortigen slawischen Idiom beeinflusst. Sowohl der litauischen als auch der slawischen Mundart im Nordwesten von Belarus liegt ein jatwingisches Substrat zugrunde. Die Zietelaer Mundart, die südlichste überhaupt, unterscheidet sich auffällig von den anderen in Belarus (z. B. kein dz-Lautwandel) und weist viele westbaltische Züge auf (z. B. oft z statt ž).
DualIn einigen Mundarten und in Gedichten findet man noch die Überreste des Duals. Auch bei der Beugung von du/dvi „zwei“ sowie abu/abi „beide“ werden die Endungen des Dualis verwendet. Dabei haben sich die Formen für den Genitiv und den Lokativ nicht erhalten, hier werden stets die gewöhnlichen Pluralformen gebraucht. Nominativ, Akkusativ und Vokativ sind im Dual identisch. Sämtliche weiblichen Substantive erhalten die Endung -i; die männlichen enden auf -u bzw. -iu. (Die „weiche Endung“ -iu wird verwendet, wenn die anderen Wortformen ebenfalls weiche Endungen tragen: Dies betrifft Substantive auf -ias, -is, -ys, -ius und -uo.)
Die Betonung richtet sich nach der Regel der vorletzten Silbe. Dativ und Instrumental werden gebildet, indem man vom Dativ Plural das auslautende -s entfernt. Ist die Endung unbetont (in der 1. und 2. Intonationsklasse), so unterscheiden sich auch diese beiden Fälle im Dual nicht. Ist die Endung hingegen betont, so erhält sie im Dativ den Stoßton, im Instrumental den Schleifton. AdjektivMögliche Endungen von Adjektiven sind -as (m.)/-a (w.), -ias (m.)/ -ia (w.), -us (m.)/-i (w.) und -is (m.)/-ė (w.). Bei der Steigerung wird für den Komparativ immer -esnis (m.) -esnė (f.) und für den Superlativ -iausas, -iausia verwendet. Auch bei Adjektiven treten regelmäßig die unten dargestellten Veränderungen im Stammauslaut auf. Die Beugung des Adjektivs
Von Adjektiven der 1. und 2. Beugungsklasse können Neutrumformen gebildet werden, die in unpersönlichen Sätzen angewandt werden. Diese unterscheiden sich nur im Nominativ und Akkusativ Singular von den männlichen Formen. Sie werden gebildet, indem man das auslautende s des männlichen Nominativs Singular entfernt, z. B. gẽra „gut (n.)“ (im Unterschied zu gerà „gut (w.)“), gražù „schön“. Im Komparativ sind sie mit den entsprechenden Adverbien formgleich. Auch von Adjektiven werden (heute nur noch in einigen Mundarten und in Gedichten) Dualformen gebildet. Dies geschieht wie bei Substantiven, mit der einzigen Ausnahme, dass hier auch die männlichen Adjektive der 2. Beugungsklasse die weiche Endung -iu annehmen. Adjektive werden im Allgemeinen wie Substantive der 1., 2. bzw. 4. Beugungsklasse (je nach Endung) betont. Im Unterschied zur Substantivdeklination werden jedoch die Endungen -am (Dat. Sg. m.) und -ame (Lok. Sg. m.) bei Adjektiven der 3. oder 4. Intonationsklasse betont, während sie bei Adjektiven der 1. oder 2. Intonationsklasse unbetont bleiben. Zweisilbige Adjektive gehören immer der 3. oder 4. Intonationsklasse an. Adjektive, die zur 2. Beugungsklasse und zur 3. Intonationsklasse gehören, können in der männlichen Form des Nominativs Singular auch auf dem Stamm betont werden. Das häufigste Beispiel ist áiškus „klar“. Der Komparativ der Adjektive gehört der 2. Intonationsklasse an, der Superlativ der 1. Intonationsklasse. Bestimmte AdjektiveDie meisten Adjektive haben auch eine pronominalisierte Langform, die zusätzlich das Merkmal der Bestimmtheit aufweist, d. h. so werden kontextgebundene Objekte markiert. Sie ist durch Anhängen des Personalpronomens jis/ji an die Kurzform gebildet bei späteren phonetischen Verkürzungen (z. B. geras – gerasis „gut“, maža – mažoji „klein“, aber gerąjam < geram-jam „dem Guten“). Mažasis princas ist „Der kleine Prinz“ während mažas princas eher als „ein kleiner Prinz“ zu übersetzen wäre. Bei Verwendung dieser Formen ist zu beachten, dass beide Komponenten dekliniert werden, z. B. Genitiv mažojo princo „des kleinen Prinzen“. Ein weiteres Beispiel ist Vytautas Didysis „Vytautas der Große“ – wo aber untypisch und wohl nach lateinischem und deutschem Vorbild das Attribut nachgestellt wird. Die Endungen lauten im Einzelnen:
Hinsichtlich der Betonung unterscheiden sich die Langformen nur im männlichen Nominativ Singular von den Kurzformen: Hier wird bei Adjektiven der 3. und 4. Intonationsklasse stets die Endung betont. Insbesondere gilt dies für alle zweisilbigen Adjektive: gẽras – geràsis, áiškus – aiškùsis. Wird die Endung betont, dann immer auf ihrer ersten Silbe: gerãjame, geruõsiuose, geróji. Unregelmäßige AdjektiveDas Adjektiv didelis „groß“ wird unregelmäßig gebeugt; lediglich der Positiv (Grundstufe) der Kurzformen wird in allen Fällen regelmäßig gebeugt. Alle anderen Formen (Steigerungsstufen, Langformen, abgeleitete Adverbien) werden von *didis abgeleitet. Zur Illustration mögen folgende Beispiele dienen: Regelmäßig gebeugt sind
Unregelmäßig gebeugt sind
Auch die Betonung weist Unregelmäßigkeiten auf: Obwohl di̇̀delis der Intonationsklasse 3b angehört, trägt die weibliche Form im Nominativ Singular den Akzent auf dem Stamm: di̇̀delė. Die von *didis abgeleiteten Langformen gehören zur Intonationsklasse 4, die Adverbien betonen die Endung. AdverbienIm Litauischen gibt es primäre (nicht-abgeleitete) und sekundäre (abgeleitete) Adverbien. Primäre Adverbien sind eigenständige Lexeme und lassen sich von keinem anderen Wort ableiten. In der Regel haben sie keine charakteristische Endung, vgl.:
Die größten Gruppe der sekundären Adverbien sind die von Adjektiven abgeleiteten. Um ein Adverb aus einem Adjektiv zu bilden, werden die männlichen Adjektiv-Endungen durch folgende Endungen ersetzt:
Beim Steigern der Adverbien wird an den Adjektiv-Stamm die Endung -iaũ für den Komparativ und die Endung -iáusiai für den Superlativ angehängt. Die Endung -(i)ai wird bei Adjektiven der 3. und 4. Intonationsklasse betont, bei Adjektiven der 1. und 2. Intonationsklasse bleibt die Betonung auf dem Stamm. Abweichend von dieser Regel betont man zweisilbige Adjektive der zweiten Beugungsklasse nur dann auf der Endung, wenn sie im Stamm einen kurzen Vokal (a, e, i oder u) besitzen; die Betonung liegt auf dem Stamm, wenn dieser einen langen Vokal oder einen Diphthong enthält (hierzu zählen auch Kombinationen aus a, e, i oder u und dem Konsonanten l, m, n oder r, sofern der Konsonant nicht Anlaut der folgenden Silbe ist): brángiai „teuer“, sódriai „reichhaltig“, aber giliai̇̃ „tief“. Von dieser Grundregel gibt es einige Ausnahmen, die jedoch häufig auch von Litauern uneinheitlich betont werden. Die wichtigste Ausnahme ist grei̇̃tai „schnell“; zu den häufiger gebrauchten Ausnahmen zählen außerdem riebiai̇̃ „fett“ und pavỹdžiai „neidisch“. Bei malõniai „angenehm“, patõgiai „bequem“ und padõriai „anständig“ ist sowohl Stamm- als auch Endbetonung zulässig. Eine weitere Gruppe Adverbien endet auf -ỹn. Diese sind ursprünglich Illative und tragen deshalb häufig die Bedeutung von Richtung oder Wachstum:
Einige Adverbien der Richtung, der Zeit und der Art und Weise lassen sich aus Demonstrativ- und Interrogativpronomina zusammensetzen, z. B. šis + kaip = šiaip „auf diese Weise“, kitas + kur = kitur „woanders“, šitas + toks = šitoks „solch einer“. Verwendet wird dabei der Stamm des Demonstrativpronomens und die Endung des Fragewortes. Man unterscheidet zwischen kitas „ein anderer“ und kitkas „etwas anderes“. Auf dieselbe Weise lassen sich mit visas „ganz, all“ allumfassende Adverbien wie visur „überall“ oder visada „immer“ zusammensetzen. Zusammensetzungen mit vienas „eins“ drücken häufig einen Gegensatz zu kitas aus: vienaip ar kitaip „auf die eine oder andere Weise“. Im Einzelnen sind folgende Formen möglich (Ausnahmen fettgedruckt):
1 Šiada tritt nur in festen Redensarten auf. Daneben gibt es vereinzelt Adverbien, die sich aus Adjektiven oder Substantiven und den Interrogativpronomina ableiten:
Des Weiteren lässt sich durch Präfigierung eines Fragewortes mit nie- eine negative Antwort auf die entsprechende Frage geben: niekas „niemand“, niekur „nirgends (hin)“, niekaip „auf keine Weise“, niekad(a), niekados „nie“. Während niekas „niemand“ wie kas dekliniert werden kann, wird „nichts“ immer im Genitiv gebraucht: nieko. Unbestimmte Adverbien lassen sich auf vier Arten aus den Fragewörtern bilden:
ZahlenKardinalzahlenDie Kardinalzahlen werden teilweise wie Adjektive behandelt, z. B. vienas, keturi; teils als Substantive, z. B. vienuolika, tūkstantis. Abweichungen von der gewöhnlichen Adjektiv- bzw. Substantivdeklination sind durch Fettdruck hervorgehoben.
Kvadrilijonas (1015), kvintilijonas (1018), sekstilijonas (1021), septilijonas (1024), oktilijonas (1027), nonilijonas (1030). Das Substantiv, auf das sich die Zahl bezieht, steht nach vienas im Singular, nach du bis devyni im Plural. Der Fall richtet sich nach der Funktion im Satz. Nach allen anderen Zahlwörtern steht das Substantiv im Genitiv Plural. Hier wird nur das Zahlwort dekliniert. Bei zusammengesetzten Zahlen richtet sich Zahl und ggf. Fall immer nur nach dem letzten Bestandteil:
Vor Pluraliatantum werden für 1 bis 9 Kollektivzahlen verwendet: vieneri, dveji, treji, ketveri, penkeri, šešeri, septyneri, aštuoneri, devyneri. Diese werden wie Adjektive auf -ias gebeugt. Statt vieneri kann auch der Plural von vienas verwendet werden. OrdinalzahlenDie Ordinalzahlen werden wie Adjektive behandelt. Sie werden im Allgemeinen nach dem Muster Stamm + tas (männlich), ta (weiblich) und ti (plural) gebildet. Dabei kommt es teilweise zu phonetischen Abweichungen, die ersten drei sind völlig unregelmäßig.
Dabei wird jeweils nur das letzte Wort als Ordinalie gebildet: šimtas dvidešimt aštunta(s) „128.“ Von Ordinalzahlen wird auch eine Langform gebildet. BruchzahlenFür Bruchzahlen gibt es zwei verschiedene Bildungsweisen: eine traditionelle und eine wissenschaftliche. Bei der traditionellen Bildungsweise wird eine Zusammensetzung aus der dem Nenner entsprechenden Ordnungszahl und dem Wort dalis „Teil“ gebildet. Die so entstehenden Bruchzahlen sind männliche Substantive und werden nach der 1. Beugungsklasse dekliniert:
Statt antradalis findet man häufiger pusė „halb“, anstelle von trečiadalis ist auch trečdalis im Gebrauch, und außer ketvirtadalis wird auch ketvirtis verwendet, welches meist nach der 3. Beugungsklasse dekliniert wird und dann weiblich ist. Für die wissenschaftliche Form wird die weibliche Langform der dem Nenner entsprechenden Ordnungszahl benutzt. Der Zähler muss dabei immer angegeben werden.
Das folgende Substantiv steht im Genitiv: penkios šeštosios picos „fünf Sechstel der Pizza“, pusė valandos „eine halbe Stunde (die Hälfte der Stunde)“. Für gemischte Brüche benutzt man die folgende Konstruktion: trys su pusė „dreieinhalb“ (wörtlich „drei mit Hälfte“), du su dvejomis trečiosiomis „zwei und zwei Drittel“. Das folgende Substantiv richtet sich nach der ganzen Zahl: viena su pusė valanda „eineinhalb Stunden“. Für halbzahlige Brüche existiert außerdem die Konstruktion pus + Ordnungszahl im Genitiv. Das Substantiv steht ebenfalls im Genitiv, das Geschlecht von Ordnungszahl und Substantiv muss übereinstimmen:
PronomenLitauische Pronomina besitzen die Endungen -as/-a oder -is/-i. Hiervon ausgenommen sind lediglich die Personalpronomina der 1. und 2. Personen. Im Plural werden weibliche Pronomina nur mit Bezug auf mehrere weibliche Substantive verwendet. Ist eines der Bezugswörter männlichen Geschlechts, so wird das männliche Pronomen gebraucht. Die Beugung ist weitgehend identisch mit der Beugung der Adjektive. Weibliche Pronomina auf -i werden dabei gemäß der 2. Beugungsklasse dekliniert, alle anderen – insbesondere alle männlichen Formen – nach der 1. Beugungsklasse. Als einzige Abweichung ist zu vermerken, dass die kurzen Vokale u und i in den Endungen der männlichen Pronomina durch ie bzw. uo ersetzt werden, wenn die Endung betont ist. (Dies betrifft nicht den Nominativ Singular.) Es ist also wichtig, die richtige Betonung zu kennen, wenn man nicht die einzelnen Wortformen als Unregelmäßigkeiten auswendig lernen möchte. Die Betonung richtet sich ebenfalls nach den gewohnten Intonationsklassen, wobei sämtliche Pronomina der dritten oder vierten Intonationsklasse angehören. Einige Pronomina betonen in der Nennform (Nominativ Singular männlich) die Endung. Diese betonen dann auch in allen anderen Formen die Endung. Sie werden traditionell der vierten Intonationsklasse zugerechnet. Bei den Pronomina (insbesondere bei den Personal- und Demonstrativpronomina) ist der Dual noch in regem Gebrauch. Die Darstellung beschränkt sich hier auf die Personalpronomina, da die Endungen der übrigen Pronomina denen der Personalpronomina der 3. Person entsprechen. Die Endungen sind dabei stets betont. Es existiert auch ein Dual-Indefinitpronomen abù(du)/abi̇̀(dvi) „beide“, welches wie das Zahlwort dù/dvi̇̀ dekliniert wird: abù(du)/abi̇̀(dvi), abiejų̃, abi̇́em, abù(du)/abi̇̀(dvi), abiẽm, abiejuosè/abiejosè. PersonalpronomenDie Beugung der Personalpronomina erfolgt auf diese Weise:
Die Personalpronomen der 3. Personen folgen hierbei dem gewohnten Beugungsschema. Die Höflichkeitsform „Sie“ wird mit dem Personalpronomen der 2. Person Plural ausgedrückt. In diesem Fall wird das Personalpronomen großgeschrieben: Jūs esate „Sie sind“. Eine ältere Höflichkeitsform, vergleichbar dem deutschen „Ihr“ für eine Einzelperson, lautet Támsta und wird wie ein Substantiv gebeugt. Der Plural lautet dementsprechend Támstos. Die Dualformen lauten mùdu/mùdvi „wir beide“, jùdu/jùdvi „ihr beide“, juõdu/jiẽdvi „sie beide“. In der 1. und 2. Person bleibt die erste Silbe unverändert, das Zahlwort du/dvi wird wie gewohnt gebeugt. Die 3. Person beugt beide Bestandteile:
Eine Lokativform existiert nicht. Die Betonung liegt in allen Formen auf der ersten Silbe. ReflexivpronomenDas Reflexivpronomen sau wird wie tu gebeugt:
PossessivpronomenDie Possessivpronomina mano, tavo, savo, mūsų und jūsų werden nicht gebeugt. Gebraucht man diese Pronomina alleinstehend („das Meine“), so stehen dafür die Ersatzformen maniškis, taviškis etc. oder manasis, tavasis etc. zur Verfügung, die wie Adjektive dekliniert werden. Die Formen auf -asis sind dabei Langformen. Für die 3. Personen existieren keine Possessivpronomina, es werden stattdessen die Genitivformen der Personalpronomina gebraucht. DemonstrativpronomenDie Beugung der Demonstrativpronomina erfolgt nach den allgemeinen Beugungsregeln. Lediglich kitas „der andere, der nächste“ wird wie ein Adjektiv dekliniert. Beispiele:
Weitere Demonstrativpronomina sind šitas „(eben)dieser“ (Verstärkung von šis) und anas „jener“. Die Neutrumformen der Demonstrativpronomina tai 'dieses/das', šitai 'dies hier' lauten im Nominativ und Akkusativ gleich; alle anderen Fälle sind mit den männlichen Formen identisch. InterrogativpronomenDas Interrogativpronomen kas? „wer?/was?“ wird nach den allgemeinen Regeln für Pronomina gebeugt. Einen Sonderfall stellt der Genitiv dar: ko? wird verwendet, wenn der Genitiv aus syntaktischen Gründen gefordert ist (durch Präpositionen, Verben oder Verneinung bedingt). Soll nach einem Besitzer gefragt werden, verwendet man kienõ?
Weitere wichtige Fragewörter sind kuris? „welcher?“, koks? „was für ein?“ und katras? „welcher von beiden?“ Diese werden regelmäßig gebeugt. Nicht gebeugt werden kur? „wo?/wohin?“, kaip? „wie?“, kada? „wann?“, kiek? „wie viele?“ und ar? (leitet Entscheidungsfragen ein). IndefinitpronomenUnbestimmte Pronomina wie irgendein werden von den entsprechenden Fragewörtern abgeleitet und ebenso wie unbestimmte Adverbien gebildet (siehe den entsprechenden Abschnitt). RelativpronomenDas Relativpronomen lautet kuris und wird regelmäßig gebeugt. Im Singular kann es auch durch kas ersetzt werden, besonders in kurzen Sätzen oder wenn ein Demonstrativpronomen im Hauptsatz sich darauf bezieht (normalerweise tas): Kas ieško, tas ir randa. „Wer sucht, der findet auch.“ Das Relativpronomen stimmt (wie im Deutschen) in Geschlecht und Zahl mit dem Bezugswort überein; der Fall richtet sich nach der Rolle im Relativsatz: Tų žmonių, kurie ten gyveno, nepažinojau. „Die Menschen, die dort lebten, habe ich nicht gekannt.“ ReziprokpronomenUm das Reziprokpronomen „einander“ im Litauischen auszudrücken, verwendet man vienas kitą. Vienas bleibt dabei unverändert, kitas wird wie gewöhnlich (wie ein Adjektiv) dekliniert:
Wird das Reziprokpronomen mit einer Präposition gebraucht, muss diese zwischen den beiden Wörtern stehen:
Gewöhnlich werden nur die männlichen Formen verwendet. Bezieht sich das Pronomen (auch) auf weibliche Substantive, so wird in der Umgangssprache häufig die weibliche Form von kitas verwendet, selten wird sogar viena statt vienas gebraucht. DeterminativpronomenUngewöhnlich ist die Deklination von pàts / pati̇̀ „selbst“: In den meisten Fällen wird es wie Adjektive auf -is bzw. -i gebeugt, davon weichen jedoch der männliche Genitiv Singular patiẽs und Nominativ Plural pãtys ab.
Die Neutrumform lautet pàt. Die Wortgruppe tas pats wird mit „derselbe“ übersetzt, hier werden beide Bestandteile dekliniert. VerbDie Beugung des Verbes geht unter Verwendung dreier verschiedener Stämme vonstatten. Es handelt sich dabei um Stämme des Infinitivs, des Präsens und des Präteritums. In den meisten Wörterbüchern werden nach dem Infinitiv die 3. Person Präsens und die 3. Präteritum angegeben. In einigen Fällen unterscheiden sich diese Stämme nicht sonderlich, z. B. kalti (kala, kalė) „schlagen, schmieden“, in anderen bestehen deutliche, historisch entstandene Unterschiede, ohne dass man dies regulär erklären könnte, z. B. rinkti (renka, rinko) „sammeln“ oder suprasti (supranta, suprato) „verstehen“. Zudem werden in Gegenwart und einmaliger Vergangenheit Beugungsklasse unterschieden, die sich nach dem Stammauslaut – dem sogenannten Themavokal – richten. Reste einer archaischen athematischen Konjugation werden kaum noch verwendet. Erkennen kann man den Stamm an der Endung der 3. Person (identisch in Singular und Plural). Anhand dieser Endungen in der 3. Person werden in der Gegenwart drei und in der Vergangenheit zwei Beugungsklassen unterschieden. In der Gegenwart enden Verben der ersten Klasse auf -a oder -ia, der zweiten Klasse auf -i, der dritten Klasse auf -o. In der Vergangenheit lautet die Endung der ersten Beugungsklasse -o, die der zweiten Klasse -ė. Ist das Verb reflexiv, wird an die Endsilbe die Endung -si angehängt. Im Infinitiv enden Verben immer mit -ti, reflexive Verben immer mit -tis. Wie alle gebeugten Wortarten unterliegen auch Verben den unten dargestellten regelmäßigen Lautwandeln. Beugungsklassen Präsens
Die Betonung richtet sich nach der Stammform (3. Person). Die 1. und 2. Person Singular unterliegen der Regel der vorletzten Silbe. Vokabeln:
Die athematische (4.) Konjugation gebrauchte die Endungen -mi, -si für die 1. beziehungsweise 2. Person Singular, -me, -te im Plural. Die dritte Person in beiden Numeri erhielt die Endung -ti. Außergewöhnlich ist, dass hier alle Formen bis auf die 3. Person der Regel der vorletzten Silbe gehorchen. Während im Altlitauischen (16. Jh.) noch zahlreiche häufige Verben (z. B. būti „sein“, duoti „geben“, giedoti „singen“, dėti „tun“) athematisch konjugiert wurden, haben nur wenige dieser Formen ins moderne Litauisch Eingang gefunden. Außer eime „wir gehen“, das zuweilen für den Adhortativ „lass uns gehen“ gebraucht wird, handelt es sich dabei immer um Formen der 3. Person. Im Einzelnen sind folgende Formen noch im Gebrauch:
Beugungsklassen der (einmaligen) Vergangenheit
Die Betonung richtet sich nach der Stammform (3. Person). Die 1. und 2. Person Singular unterliegen der Regel der vorletzten Silbe. Vokabeln:
Mehrfache VergangenheitDie Mehrfache Vergangenheit wird aus dem Infinitivstamm (Infinitiv ohne die Endung -ti) durch Anfügen der folgenden Endungen gebildet:
Die Betonung bleibt dabei immer wie im Infinitiv. ZukunftZur Bildung der Zukunft wird die Infinitivendung -ti gemäß der folgenden Tabelle ersetzt:
Endet der Stamm bereits auf -s, so wird dieses s im Futur nur einmal geschrieben. Auch die Kombination -zs- wird durch einfaches s ersetzt. Statt -šs- oder -žs- schreibt und spricht man nur š:
Die Betonung richtet sich nach dem Infinitiv. Jedoch wird die letzte Silbe der 3. Person nie stoßtönig betont. Stattdessen erhält sie gewöhnlich den Schleifton:
Von dieser Regel ausgenommen sind Verben mit einsilbigem Stamm, wenn der Stammvokal ein y oder ū ist. Dieses wird in der 3. Person Futur regulär zu kurzem i bzw. u:
Die Betonung hat dadurch auch Einfluss auf die Rechtschreibung. Von dieser Grundregel gibt es nur wenige Ausnahmen, sämtlich seltene Wörter, z. B. siū́ti, siū́siu, siū̃s „nähen“. Diese Regeln gelten auch, falls das Verb reflexiv ist, z. B. wird kéltis, kélsiuosi, kel̃sis „aufstehen“ wie kélti, kélsiu, kel̃s „(etwas Schweres) hochheben“ konjugiert. Auch Verben, die eine Vorsilbe besitzen, werden genauso konjugiert wie ohne diese Vorsilbe: pabū́ti, pabū́siu, pabùs „sich aufhalten“ wie būti. ImperativDer Imperativ wird aus dem Infinitivstamm mit der Endung -k gebildet:
Ein im Stamm bereits vorhandenes -k oder -g vor der Endung wird nicht mitgeschrieben:
Die Betonung des Infinitivs bleibt erhalten. Für den Imperativ der 1. Person Plural nichtreflexiver Verben kann auch der Indikativ ohne das auslautende e verwendet werden: važiuojam „lasst uns fahren“. Der Imperativ der 2. Person Singular kan auch mit der Endung -i verwendet werden (laukti – láuki, bėgti – bė́ki), aber solche Formen sind auf die Poesie beschränkt. Auch für die 3. Personen existiert ein Imperativ, häufig auch als Optativ bezeichnet. Er wird heute meist mit dem Hilfswort tegù(l) oder laĩ gebildet: Tegu(l) [Lai] važiuoja į miestą! „Möge er in die Stadt fahren!“ Möglich ist auch die Bildung mit der Vorsilbe te-: Tekrinta jis į ežerą! „Soll er doch in den See fallen!“ Andere Satzglieder können zwischen te und das Verb treten: Te kiekvienas ką nors parašys. „Jeder soll etwas schreiben.“ Eine weitere, mittlerweile veraltende, Möglichkeit, den Optativ zu bilden, ist, den Präsensstamm des Verbs mit der (betonten) Endung -iẽ zu versehen. Diese Verbform wird immer mit der Vorsilbe te- gebraucht: Teesie šventas Tavo vardas. Teateinie Tavo karalystė. Teesie Tavo valia … „Geheiligt werde Dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe …“ KonjunktivDer Konjunktiv wird ebenfalls aus dem Infinitivstamm gebildet. Er erhält die folgenden Endungen:
Wo zwei Endungen vorhanden sind, werden die längeren Formen meist nur in der gehobenen (Schrift-)Sprache verwendet. Die Betonung entspricht der des Infinitivs. Um den Irrealis der Vergangenheit auszudrücken, wird im Litauischen das Hilfsverb būti „sein“ zusammen mit dem Partizip Präteritum Aktiv verwendet: Mielai būčiau su tavimi susitikusi. „Ich hätte mich gern mit dir getroffen.“ Modus relativusDer Modus relativus (netiesioginė nuosaka, manchmal auch als „Obliquus“ bezeichnet) des Litauischen ist eine Kategorie, die verwendet wird, wenn der Sprecher für den Wahrheitsgehalt einer Aussage nicht garantieren kann oder will, weil die Information aus zweiter Hand stammt. So wie im Deutschen in der indirekten Rede aus Gründen der Distanzierung der Konjunktiv I gebraucht wird, zeigen im Litauischen die Partizipien an, dass die Aussage nicht aus eigenen Überlegungen entstanden ist und relativiert wird.
In diesem Sinne werden auch häufig Lebensläufe im Partizipialstil formuliert:
Der Modus relativus kann von allen einfachen und zusammengesetzten Zeiten gebildet werden, seine Form entspricht immer dem Nominativ des entsprechenden aktiven Partizips. Somit flektiert er nicht nach Person, sondern nach Geschlecht.
Außerdem wird der Modus relativus in Volksmärchen, Legenden und ähnlichen Textgattungen als Erzähltempus verwendet, in diesem Fall wird er auch als Narrativ bezeichnet. (In Klammern stehen jeweils die entsprechenden Indikativ-Formen.)
In der gesprochenen Sprache kommt der Modus relativus selten vor, stattdessen wird der Indikativ verwendet. PassivDie litauische Sprache kennt kein synthetisches Passiv. Sowohl Vorgangspassiv als auch Zustandspassiv können durch zusammengesetzte Zeiten ausgedrückt werden. Das Vorgangspassiv ist jedoch selten, meist wird es durch einen – gegebenenfalls unpersönlichen – aktiven Satz ersetzt:
PartizipienDas Litauische kennt sieben Partizipien (lit. dalyviai), vier aktive und drei passive, ein Halbpartizip (Adverbialpartizip, pusdalyvis), vier Gerundien (padalyviai, die des Imperfekts und des Futurs sind sehr selten) und ein Gerundivum (reikiamybės dalyvis, „Notwendigkeitspartizip“), hier am Beispiel des Verbs duoti „geben“ (1. Klasse), turėti „haben“ (2. Klasse) und skaityti „lesen“ (3. Klasse). Das Halbpartizip und das Gerundivum sind keinem Tempus zugeordnet, die entsprechenden Formen sind duodamas, turėdamas, skaitydamas für das Halbpartizip bzw. duotinas, turėtinas, skaitytinas für das Gerundivum.
Bildeweise
Deklination der PartizipienDie passiven Partizipien (dirbamas, dirbtas, dirbsimas) sowie das Gerundivum (dirbtinas) flektieren wie Adjektive der 1. Gruppe. Die weiblichen aktiven Partizipien werden wie Adjektive der 2. Gruppe gebeugt, während die männlichen Formen dem Paradigma der Adjektive auf -is in der 1. Gruppe folgen – davon abweichend wird nur der Nominativ/Vokativ Singular und Plural gebildet: Bei den kurzen Formen entfällt im Plural das -s (dirbąs – dirbą, dirbęs – dirbę, turįs – turį), die langen Formen der Präsenspartizipien enden auf -ys (dirbantis – dirbantys). Beispieldeklination für dirbąs und dirbęs:
Das Halbpartizip kommt nur im Nominativ vor: m. Sg. dirbdamas, Pl. dirbdami; f. Sg. dirbdama, Pl. dirbdamos. Die Gerundien sind indeklinabel. Von allen Partizipien lässt sich wie bei Adjektiven eine Neutrumform bilden, indem das auslautende -s der männlichen Form ausfällt. Bei den aktiven Partizipien ist diese dann mit dem männlichen Nominativ Plural identisch. Das Gerundivum bildet außer der Neutrumform auch ein Adverb auf -tinai. Die reflexiven Formen der Partizipien sind selten und kommen nur im Nominativ oder bei präfigierten Verben vor. Soll das Partizip eines nichtpräfigierten reflexiven Verbs in einem anderen Fall gebraucht werden, muss das Verb mit be- präfigiert werden, so dass die Reflexivpartikel -si vor den Stamm tritt (vgl. den Abschnitt über präfigierte Verben).
Um etwa den Genitiv des männlichen aktiven Präsenspartizips auszudrücken, benutzt man besidirbančio. Betonung der PartizipienFür Partizipien gelten im Wesentlichen dieselben Betonungsregeln wie für Adjektive. Es genügt daher meist, die Intonationsklasse zu kennen. Alle aktiven Partizipien gehören der 1. Intonationsklasse an, verändern ihre Betonung also nicht. Die Partizipien der Zukunft und der mehrmaligen Vergangenheit werden dabei wie der Infinitiv betont, das Partizip der Gegenwart wie die entsprechende Stammform (3. Person), von der es abgeleitet wird. Auch das Partizip der einmaligen Vergangenheit wird wie die Stammform (3. Person Vergangenheit) betont, allerdings liegt der Akzent hier nie auf der Vorsilbe. Es heißt also atnẽšęs, atnẽšusi „der/die gebracht hat“, obwohl die Stammform àtnešė lautet. Eine Ausnahme von dieser Regel bilden lediglich die Nominativ- und Vokativformen der männlichen aktiven Präsenspartizipien: Die Endungen -ą̃s/-į̇̃s, -ą̃/-į̇̃ sowie die Endungen der bestimmten Formen -antỹsis/-intỹsis, -anti̇́eji/-inti̇́eji werden betont, wenn das Verb in der Gegenwart den Akzent auf die Vorsilbe zurückzieht (auch dann, wenn es keine Vorsilbe besitzt). Die Regeln für die Akzentrückziehung werden im Abschnitt „Präfigierte Verben“ ausführlich dargelegt; an dieser Stelle sollen nur die relevanten Regeln kurz zusammengefasst werden: Nur Verben, deren Präsensstamm einsilbig ist, können den Akzent zurückziehen. Betroffen sind:
Die Endung kann jedoch nicht betont werden, wenn zusätzlich ein Reflexivsuffix angefügt ist: nẽšąsis „gut gedeihend“. Auch die langen Formen der Endungen bleiben unbetont: nẽšantis, nẽšantys. Auch die passiven Partizipien, das Gerundivum und das Halbpartizip gehören der 1. Intonationsklasse an, wenn der Stamm, von dem sie abgeleitet werden, nicht einsilbig ist (ausschlaggebend ist der Präsensstamm für das Gegenwartspartizip, der Infinitivstamm für die anderen Formen, abzüglich aller Vorsilben). Die Betonung bleibt dann in jedem Falle dieselbe wie im entsprechenden Verbstamm, z. B. gyvén-ti (gyvẽn-a) „leben“ (beide Stämme sind zweisilbig) → gyvẽnamas, gyvéntas, gyvénsimas, gyvéntinas, gyvéndamas. Ist der Stamm einsilbig, so gehören die Partizipien im Allgemeinen der 3. oder 4. Intonationsklasse an. Die Intonationsklasse richtet sich nach der Betonung in der entsprechenden Stammform. So müssen von nèšti (nẽša) „tragen“ das Gegenwartspartizip nẽšamas, das Zukunftspartizip nèšimas, das Gerundivum nèštinas und das Halbpartizip nèšdamas der Klasse 3b zugeordnet werden, da die drittletzte Silbe schleiftönig bzw. kurz betont wird; das Vergangenheitspartizip nèštas hingegen gehört zu Klasse 4, da die vorletzte Silbe den kurzen Ton trägt. (Vergleiche hierzu die Übersicht über die Intonationsklassen.) Von dieser Grundregel gibt es zwei Ausnahmen:
Die Gerundien werden ebenso betont wie die Verbformen, aus denen sie gebildet sind. Die Vorsilbe pér- wird in allen Verbformen betont, so auch bei den Partizipien. VerwendungDie Partizipien und das Gerundivum können zunächst einmal attributiv gebraucht werden. Sie können auch mit Objekten ergänzt und gebeugt werden. Bei der Übersetzung muss teilweise auf Relativsätze zurückgegriffen werden:
In dieser Funktion werden bei den männlichen aktiven Präsens- und Futurpartizipien im Nominativ/Vokativ nur die langen Endungen gebraucht. Die Partizipien der Gegenwart und der Vergangenheit werden zur Bildung zusammengesetzter Zeitformen benötigt. Mit dem Nominativ der Partizipien wird auch indirekte Rede wiedergegeben, vgl. den Abschnitt über Modus relativus. Da dem Litauischen ein Passiv fehlt, werden für passive Sätze ohne Agens zumeist die entsprechenden Partizipien, oft in der Neutrumform, eingesetzt:
Das Halbpartizip und die Gerundien können anstelle eines temporalen Nebensatzes stehen (aplinkybiniai padalyviai, „adverbiale Gerundien“). Welche Form man verwendet, hängt vom Zeitverhältnis und dem Subjekt ab:
Das logische Subjekt des Gerundium-Begleitsatzes steht hierbei immer im Dativ. Es muss jedoch nicht verwendet werden, wenn es im Hauptsatz als Akkusativobjekt oder als Genitivattribut auftritt. Auch unpersönliche Begleitsätze haben kein Subjekt. Adverbial können nur die Gerundien der Gegenwart und der Vergangenheit eingesetzt werden. Alle vier Gerundien können jedoch auch attributiv gebraucht werden (aiškinamieji padalyviai, „attributive Gerundien“). Sie werden meist mit Verben der Sinneswahrnehmung gebraucht und lassen sich häufig mit dem Infinitiv übersetzen. Mitunter muss auf einen Nebensatz oder sogar mehrere Sätze ausgewichen werden:
Zusammengesetzte ZeitenIm Litauischen lassen sich mit dem Hilfsverb būti „sein“ und den Partizipien der Gegenwart und der (einmaligen) Vergangenheit zusammengesetzte Zeitformen (sudurtiniai oder sudėtiniai laikai) bilden. Das Hilfsverb kann dabei in allen vier Zeiten des Indikativs, im Konjunktiv oder im Imperativ stehen; sogar der Irrealis der Vergangenheit kommt vor (būtų seniai atvykęs „er wäre schon längst angekommen gewesen“). Da sich die Partizipien nach Geschlecht und Zahl des Subjekts richten, müssen hierbei nicht nur männliche und weibliche Sprecher unterschieden werden (esu dirbęs „ich habe schon gearbeitet“ bei männlichem Sprecher; Frauen sagen „esu dirbusi“), sondern die 3. Person Singular unterscheidet sich von der 3. Person Plural (im Gegensatz zu allen anderen Verbformen). Mit dem aktiven Gegenwartspartizip beschreibt man Handlungen, die abgebrochen werden, während sie noch im Entstehen begriffen sind. In der litauischen Grammatik werden diese zusammengesetzten Formen deshalb pradėtiniai laikai (etwa „Beginnzeiten“) genannt:
Außerdem lassen sich mit dieser Form andauernde Handlungen beschreiben (Verlaufsform):
Wichtig bei der Bildung dieser Zeitform ist, dass das Partizip stets mit der Vorsilbe be- gebraucht wird. In der Gegenwart wird das Hilfsverb nicht verwendet, da die Vorsilbe be- genügt, um anzuzeigen, dass es sich um die Verlaufsform handelt. Mit dem aktiven Vergangenheitspartizip kann man Vorzeitigkeit ausdrücken. Man erhält dadurch die klassischen Zeitformen Perfekt, Plusquamperfekt, habituelles Plusquamperfekt und Futurum exactum:
Mit diesen zusammengesetzten Zeiten verbindet man immer einen bestimmten Zustand des Subjekts. Buvau valgęs kann also nur heißen, dass ich noch satt bin, während esu matęs normalerweise dahingehend verstanden wird, dass ich die Erfahrung, das Objekt gesehen zu haben, schon gemacht habe – diese kann beliebig lang zurückliegen, aber bezieht sich nie auf soeben betrachtete Objekte (das litauische Perfekt unterscheidet sich darin vom Perfekt in anderen europäischen Sprachen). Um die korrekte Bedeutung zu erschließen, hilft es, bei der Übersetzung stets das Wort „schon“ einzubauen. Wie im Deutschen kann das Partizip in diesen Formen den Charakter des Verbs mehr oder weniger vollständig verloren haben und nur noch als Adjektiv fungieren:
Die passiven Partizipien dienen zur Bildung passiver Sätze. Das Zustandspassiv bildet man mit dem passiven Vergangenheitspartizip:
Das Vorgangspassiv kann mit beiden passiven Partizipien gebildet werden:
Wie an den Beispielen erkennbar ist, bezeichnet das Gegenwartspartizip Gleichzeitigkeit (bzw. den Verlauf einer Handlung), das Vergangenheitspartizip hingegen Vorzeitigkeit (bzw. den Abschluss einer Handlung). Im letzten Beispiel wird also das Vergangenheitspartizip verwendet, weil eine Aussage darüber gemacht wird, wann der Bau der Eisenbahnstrecke abgeschlossen war. In den Sätzen mit dem Vergangenheitspartizip lässt sich das Vorgangspassiv leicht durch das Zustandspassiv ersetzen. Im Allgemeinen wird jedoch im Litauischen die Verwendung aktiver Sätze bevorzugt:
SupinumEine besondere Verbform für das Supinum hat sich nur in ostaukschtaitischen Mundarten gehalten. Von dort findet es auch Eingang in die geschriebene Standardsprache. Seine Form ist identisch mit der 3. Person des Konjunktivs:
Wie im letzten Beispiel erkennbar ist, steht das direkte Objekt des Supinums im Genitiv. Heute wird statt des Supinums für gewöhnlich der Infinitiv verwendet. Das direkte Objekt steht dabei dennoch im Genitiv: Einam žaisti krepšinio! „Gehen wir Basketball spielen!“ Infinitiv II (Būdinys)Die litauische Sprache stellt ein effizientes Mittel bereit, um Satzaussagen zu verstärken: den būdinys, in einigen Grammatiken mit Infinitiv II übersetzt. Diese Verbform wird gebildet, indem das auslautende -i des gewöhnlichen Infinitivs durch -e ersetzt wird. Der Infinitiv II trägt nie Vorsilben oder eine Reflexivendung. Er geht der finiten Verbform direkt voraus und wird vom selben Verb gebildet:
Da das Deutsche keine entsprechende Verbform kennt, kann die Verstärkung in der Übersetzung nur durch erklärende Zusätze ausgedrückt werden. Unregelmäßige VerbenDas Verb būti „sein“ im Präsens ist das einzige unregelmäßige Verb, da die Formen von der Stammform *esa abgeleitet sind, die 3. Person jedoch yra lautet.
Dies betrifft auch die Formen der Partizipien und des Gerundiums im Präsens:
Präfigierte VerbenDie Litauische Sprache kennt zahlreiche Vorsilben, die die Bedeutung eines Verbs präzisieren oder verändern können:
Dabei ist die konkrete Bedeutung stark vom verwendeten Verb abhängig, z. B. bedeutet atnešti „herbringen“, atvykti „ankommen“, atidegti „erneut Feuer fangen“. Die Vorsilbe ap- wird zu api- erweitert, wenn der Verbstamm mit einem b oder p beginnt. Ebenso wird at- zu ati-, wenn darauf ein d oder t folgt. Wenn ein reflexives Verb eine Vorsilbe erhält, so wird zwischen die Vorsilbe und den Stamm als weitere Vorsilbe -si- eingeschoben; die Reflexivendung entfällt. Vergleiche:
Die Vorsilben be-, ne(be)- und te(be)- verschmelzen mit yra zu bėra, nėra usw. Werden diese Vorsilben mit den anderen Präsensformen von būti „sein“ oder mit Formen von eiti „gehen“ gebraucht, so entfällt das (letzte) e der Vorsilbe: nesu „ich bin nicht“, neis „er wird nicht gehen“, ten nebėjau „dorthin ging ich nicht mehr.“ Zuweilen wird mit den Formen von egzistuoti „existieren“ genauso verfahren: tai teb(e)egzistuoja „das existiert immer noch“. Die Betonung präfigierter Verben unterliegt den folgenden Regeln:
Dualformen der VerbenSelbst wenn das Subjekt eines Satzes im Dual gebraucht wird, benutzt man im Litauischen in der Regel die Pluralformen des Verbs. Fast nur noch in einigen Mundarten haben auch Dualformen der Verben überlebt. Deren Bildung ist jedoch ganz regelmäßig: Bei nichtreflexiven Verben enden in der 1. Person Plural alle Verbformen auf -me. Diese Endung wird im Dual durch -va ersetzt, also laukiava „wir beide warten“, krisiva „wir beide werden fallen“, klaustuva „wir beide würden fragen“, eikiva „lass uns (beide) gehen“. In der zweiten Person wird die Pluralendung -te durch die Dualendung -ta ersetzt. Bei reflexiven Verben lauten die entsprechenden Endungen -vos bzw. -tos: maudėtos „ihr beide badetet“. Da Verben der 3. Person in allen Numeri identisch sind, stehen hierfür keine besonderen Dualendungen bereit. Verbale StammbildungDas litauische Verb hat drei Stammformen: Infinitiv, Präsens und Präteritum. Das Nebeneinander dieser Stämme ist nicht, wie es auf den ersten Blick scheinen mag, völlig willkürlich, sondern folgt gewissen Regeln, die es möglich machen, Präteritum (und Infinitiv) aus dem Präsens abzuleiten.
Für die Verben der 1. Klasse lassen sich folgende Ableitungsregeln aufstellen:
Einige wenige Verben lassen sich nicht in dieses System integrieren:
Die Kenntnis der Grundformen ist für die Bildung aller übrigen litauischen Verbalformen ausreichend. Von den einzelnen Stämmen abgeleitet werden (hier illustriert anhand des Verbs gauti "bekommen"; die angeführten Formen sind die der 3. Person bzw. des männlichen Nominativ Singular):
Regelmäßige LautwandelBei sämtlichen Wortarten treten im Stammauslaut (d. h. unmittelbar vor der Endung) regelmäßig zwei Lautwandel auf:
Dabei steht č bzw. dž in allen Wortformen, in denen die Endung mit i gefolgt von einem weiteren Vokal (außer e) beginnt. In allen anderen Fällen steht t bzw. d. Beispiele:
SyntaxAllgemeinesDas Litauische verfügt als synthetische Sprache über eine gewisse Freiheit in der Folge der Satzglieder. Sowohl die Reihenfolge Subjekt-Prädikat als auch andersherum ist möglich: vaikas eina – eina vaikas „das Kind geht“. Ähnliches gilt für das direkte Objekt kala vinį – vinį kala „(er) schlägt einen Nagel (ein)“. Die Verwendung des Personalpronomens ist nicht notwendig. Insbesondere in der dritten Person muss dann aus dem Kontext erschlossen werden, ob es sich um mehrere oder eine Person handelt, ob diese männlich oder weiblich sind. Das Adjektiv steht regelmäßig vor dem Substantiv und stimmt in Genus, Numerus und Kasus mit dem attributierten Substantiv überein. Ungewohnt ist die Verwendung des Genitivs bei Mengenangaben:
Auch wenn die Menge nicht explizit genannt ist und unbestimmt ist, wird der Genitiv verwendet, vergleiche dazu:
Der Genitiv steht (außer für Mengenangaben) stets voran – im Gegensatz zu den slawischen Sprachen. Die Reihenfolge stimmt nur dann mit der deutschen überein, wenn man die litauische Wortgruppe mit einem deutschen zusammengesetzten Wort übersetzt:
Ein Adjektiv, das die gesamte Wortgruppe näher beschreibt, kann entweder am Anfang der Phrase oder vor dem entsprechenden Bezugswort stehen:
Bezieht sich das Adjektiv auf einen Teil der Wortgruppe, kann es dadurch zu Mehrdeutigkeiten kommen: Da naujas mokytojo draugas „der neue Freund des Lehrers“ und naujo mokytojo draugas „der Freund des neuen Lehrers“ im Genitiv beide gleich lauten, kann naujo mokytojo draugo namas sowohl „das Haus des neuen Freundes des Lehrers“ als auch „das Haus des Freundes des neuen Lehrers“ heißen. Wird ein Nebensatz mit einer Gerundium-Konstruktion geformt, so steht der Handlungsträger im Dativ: Jam ateinant, aš išėjau. „Als er kam, ging ich fort.“ Die ausgeprägte Kasusunterscheidung wird im Litauischen reichlich genutzt, es werden z. B. gern Parallelkonstruktionen verwendet, die sich nur durch die verwendeten Fälle unterscheiden. So erhalten die wörtlichen Reden im „kleinen Prinzen“ gewöhnlich als Begleitsatz entweder tarė Mažasis princas „sagte der kleine Prinz“ oder tariau Mažajam princui „sagte ich dem kleinen Prinzen“. Rektion der VerbenLitauische Verben können den Genitiv, Dativ, Akkusativ oder Instrumental regieren. Wie im Deutschen steht ein direktes Objekt im Akkusativ, deshalb regieren z. B. matyti „sehen“, skaityti „lesen“ oder žaisti „(ein Spiel) spielen“ den vierten Fall. Zu beachten ist hierbei, dass in einem verneinten Satz statt des Akkusativs der Genitiv gebraucht wird (siehe Verneinung). Verben, die in ihrer Bedeutung ein Konzept des Fehlens innehaben, regieren den Genitiv. Hierher gehören z. B. norėti „wollen“, linkėti „wünschen“ und prašyti „bitten“: Was man will, wünscht oder worum man bittet, fehlt einem schließlich noch. Ebenfalls in diese Kategorie gehören laukti „warten“, bijoti „sich fürchten“, mokytis „lernen“, reikėti „brauchen“ und natürlich trūkti „fehlen“. Der Genitiv wird auch verwendet, wenn ein solches Verb elliptisch ausgelassen wird (was häufig vorkommt), z. B. (linkiu) gero apetito „Guten Appetit“ oder alaus (prašom) „ein Bier (bitte)“. Ein indirektes Objekt steht im Dativ, weshalb dieser Fall wie im Deutschen z. B. von rašyti „schreiben“ regiert wird. Auch skambinti „anrufen“ verlangt den Dativ, da es sich bei dem Angerufenen um den Empfänger des Gespräches (also um ein indirektes Objekt) handelt. Außerdem gibt es eine Reihe unpersönlicher Verben, die statt eines Subjektes ein Dativobjekt verlangen, z. B.
Ein Mittel oder eine Ursache wird meist im Instrumental angegeben, deshalb regieren z. B. die folgenden Verben diesen Fall: groti „(ein Instrument) spielen“, džiaugtis „sich über ew. freuen“, sirgti „an ew. leiden“, kvepėti „nach ew. duften“. VerneinungUm eine negative Aussage zu bilden, muss im Litauischen zunächst einmal das Verb verneint werden. Dies geschieht mit der Vorsilbe ne- „nicht“ oder nebe- „nicht mehr“. Zu Besonderheiten bei der Präfigierung reflexiver Verben, der Verben būti „sein“ und eiti „gehen“ sowie zu Besonderheiten bei der Betonung verneinter Verben siehe den Abschnitt über Verben mit Vorsilben. Im Gegensatz zum Deutschen bleibt im Litauischen das Verb auch dann verneint, wenn im Satz weitere negative Wörter vorkommen wie z. B. nieko „nichts“, niekada „nie“, nė „kein einziger“ oder joks „keinerlei“: Niekas niekada nieko nematė. „Niemand hat je etwas gesehen.“ (Wörtlich: „Niemand hat nie nichts nicht gesehen.“) Das direkte Objekt steht in verneinten Sätzen immer im Genitiv. Dies wird oft als Erweiterung des Genitivs bei unbestimmten Mengen verstanden, denn wenn etwas fehlt, ist nicht bekannt, wie viel davon fehlt.
Auch bei Verneinung von būti „sein“ wird der Genitiv verwendet, da das Subjekt des Satzes (in unbestimmter Menge) fehlt. So erklärt sich auch, dass einige Verben den Genitiv regieren, vergleiche dazu die Aussagen:
Ungewöhnlich ist der Gebrauch des Genitivs auch bei Personen: Manęs nėra. „Ich bin nicht da.“ PräpositionenPräpositionen können den Genitiv, Akkusativ oder Instrumental verlangen. Der Dativ wird ausschließlich ohne Präposition verwendet, wo im Deutschen die Präposition „für“ gebraucht wird. Mit dem Genitiv stehen z. B. ant „auf“, prie „vor, an, bei“, virš „über, oberhalb“, iš „aus“. Mit dem Akkusativ stehen z. B. į „in“ (auf die Frage „wohin?“), pas „zu, bei“, prieš „vor; gegen“, per „über (hinweg)“. Mit dem Instrumental stehen z. B. su „mit“, sulig „gleich“. Einige Präpositionen haben unterschiedliche Bedeutungen, je nachdem, mit welchem Fall sie stehen, z. B. po mit Genitiv „nach“ (zeitlich), mit Akkusativ „durch, in … umher“, mit Instrumental „unter“; už mit Genitiv „hinter“, mit Akkusativ „für, im Austausch gegen“. Dafür wird im Allgemeinen nicht wie im Deutschen zwischen Richtung und Ort unterschieden: ant stalo „auf den Tisch“ oder „auf dem Tisch“, pas motiną „bei der Mutter“ oder „zur Mutter“. Lediglich į bezeichnet immer die Richtung, weil der Ort mit dem Lokativ beschrieben wird: į Vilnių „nach Vilnius“, Vilniuje „in Vilnius“. Literatur
Preußisch-litauische Grammatiken
Weblinks
Einzelnachweise
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