KaramanlıDie Karamanlıs oder Karamanen (türkisch Karamanlılar oder Karamaniyanlar, griechisch Καραμανλήδες Karamanlides) sind eine turksprachige, christlich-orthodoxe Volksgruppe in Griechenland und der Türkei, die ursprünglich in Anatolien ansässig war. Im Deutschen werden auch die Bezeichnungen Karamaner oder Karamanliden verwendet. Sprache und EthnieDie Karamanlı sprachen meistens ein osmanisch geprägtes Türkisch mit griechischen Lehnwörtern und mit sehr vielen alttürkischen Wörtern, wovon manche im heutigen Türkischen nur noch selten Verwendung finden. Der osmanische Reiseschriftsteller Evliya Çelebi berichtete im 17. Jahrhundert, dass die Griechen Antalyas kein Griechisch konnten und nur Türkisch sprachen. Die Bezeichnung dieser Mundart der Karamanlı ist Karamanlıca („Karamanisch“) oder Karamanlı Türkçesi („Karamaner-Türkisch“). Das zunächst nur gesprochene Karamanlıca wurde mit der Zeit schriftlich erfasst, wozu man das griechische Alphabet verwendete. Beispiele dafür kann man außer in der weiter unten angeführten Literatur auf den in der Türkei erhalten gebliebenen, mit Redewendungen und Gedichten verzierten Grabsteinen der Karamanlı finden. Unklar bleibt, ob die Karamanlı türkisierte Griechen waren, die ihren Glauben beibehalten hatten, oder Türken, die zum Christentum übergetreten waren. Beim Bevölkerungsaustausch zwischen Griechenland und der Türkei mussten etwa 60.000 Karamanlı aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum orthodoxen Christentum nach Griechenland zwangsumsiedeln. Eine geringe Anzahl von Karamanlı leben noch heute in der Türkei. Die Karamanlıca-Mundart ist sowohl in Griechenland als auch in der Türkei vom Aussterben bedroht. NamensherkunftIhr Name Karamanlı ist ursprünglich die Bezeichnung für die Einwohner der Stadt bzw. der gleichnamigen Provinz. Damit ist aber nicht die heutige, erst 1989 geschaffene Provinz Karaman in der heutigen Türkei gemeint, sondern das weitaus größere osmanische Eyâlet Karaman, der territoriale Nachfolger des Beyliks Karaman, dessen Zentrum Konya war und das die heutigen Provinzen Konya, Karaman, Aksaray, Kayseri, Niğde, Kırşehir und Nevşehir umfasste. Die Masse der Karamanlı war denn auch in der Umgebung von Kayseri konzentriert, doch waren sie überall in Anatolien und sogar in der europäischen Türkei, selbst in Istanbul anzutreffen.[1] Das griechische Wort für Karamanlı (Karamaner) ist Karamanlis. So haben zum Beispiel die Vorfahren von Konstantinos Karamanlis auch in diesem Gebiet gelebt und diese Herkunft prägt immer noch ihren Namen. SiedlungsgebieteDie früher in den türkischen Städten Mersin, Antalya, Kırıkkale, Amasya, Zincidere, İncesu, Talas, Akşehir, Samsun, Bafra, Çarşamba, Adana, İzmir, Safranbolu, Havza, Tosya, Zile, Çankırı, Kula, Kastamonu, Bolu, Merzifon, Taşucu, Mürefte, Kütahya, Bayındır, Polatlı, Geyve, Ereğli, Hamidiye, Gölcük, Mihaliç, Adapazarı, Eskişehir, Alaçam, Zonguldak, Karadeniz Ereğli, Bartın, Alanya, Erbaa, İnebolu, Çaycuma, Denizli, Balıkesir, Salihli, Gemlik, Düzce, Gümüşhacıköy, Söğüt, Uşak, Ödemiş, Burdur, Isparta, Akdağmadeni, Aydın, Nazilli, Trabzon, Rize, Yalova, Bursa, İznik, İzmit, Karaman, Aksaray, Ankara, Göreme, Ihlara, Istanbul, Kahramanmaraş, Kayseri, Konya, Nevşehir, Niğde, Sivas, Tokat und Ürgüp[2][3] und deren Umgebung lebenden Karamanlı sind heute größtenteils in Griechenland ansässig. Nur eine geringe Anzahl lebt noch in der Türkei. Herkunft und GeschichteDie Karamanlı werden von zwei Seiten her abstammungsmäßig in Anspruch genommen:
Richtig daran ist, dass die Byzantiner vor der seldschukischen Invasion Anatoliens auf dem Balkan Völker türkischer Sprache (Uzen und Petschenegen) besiegt und unterworfen hatten, die aus den südrussischen Steppen kamen und den oghusischen Gefolgsleuten der Seldschuken stammesverwandt waren. Diese waren dann, nach Christianisierung, in die Armee eingegliedert worden. Es entsprach einer byzantinischen Praxis, solche Soldaten durch Zuweisung von Land zu entlohnen. Andererseits war die Bevölkerung Anatoliens, namentlich auch Kappadokiens, nicht genuin griechischer Herkunft, sondern in einem mehrere Jahrhunderte andauernden Prozess hellenisiert worden, bei dem erst in spätrömischer Zeit die einheimischen anatolischen Idiome erloschen. Seit der Zeit des Perserreiches und bis zur Eingliederung in das Römische Reich unterlag das Innere Anatoliens, in dem in größeren Gebieten Herrscher persischer Abkunft regierten, iranischem Kultureinfluss, der auch bei den Seldschuken wirksam war. Die Bevölkerung der peripheren Provinzen des byzantinischen Reiches stand oftmals auch in Opposition zur hauptstädtischen Elite; alles Umstände, die die Entfremdung von griechischer und byzantinischer Reichskultur und in letzter Konsequenz die Aufgabe der griechischen und die Übernahme der türkischen Sprache begünstigten. Nach der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen im Jahre 1453 wurden viele Menschen dorthin umgesiedelt, worunter auch viele Karamanlı waren. 1551 sieht der reisende Nicolas de Nicolay, dass die Karamanlı in Yedikule zusammen in einem eigenen Viertel lebten und ihren Lebensunterhalt mit dem Handel – insbesondere dem Juwelenhandel – und mit gewerblicher Tätigkeit und Handwerk verdienten. Ihre Läden und Betriebe befanden sich in der Nähe des Großen Basars, des Kapalı Çarşı. Nicolay berichtet auch, dass die Karamanlı-Frauen wie die griechischen Frauen außer zu Kirchen- und Hamambesuchen selten auf die Straße gingen. Zuhause waren sie mit dem Haushalt und Stickereien beschäftigt, die sie im Kapalı Çarşı oder in anderen Basaren verkauften. Manche Karamanlı-Frauen konnten ein wenig zum Lebensunterhalt beitragen, indem sie auf den Straßen Eier, Hühnchen, Käse und Gemüse verkauften. Die Karamanlı gehörten dem ökumenischen Patriarchat an. Mit der Zeit zogen sie auch in andere Stadtteile wie Fener, Cibali, Tahtakale, Kumkapı um, wo schon viele Rum lebten. Sie hatten ihre Läden in den Istanbuler Stadtteilen Eminönü und Galata, siehe auch: Stadtteile von Istanbul. Im Ersten Weltkrieg und in den Befreiungskriegen kämpften sie gemeinsam mit Muslimen gegen die Besatzer. Mustafa Kemal begann vom 19. Mai 1919 mit der Mobilisierung des Widerstandes. Durch mehrere Schlachten gelang es ihm, die Besatzung und Aufteilung, wie sie im Vertrag von Sevres vorgesehen gewesen war, zu verhindern. Nach dem Sieg der Türkei konnte diese am 24. Juli 1923 im Vertrag von Lausanne die Bestimmungen des Vertrags von Sèvres revidieren und so den Verlust großer Teile des heutigen Staatsgebietes verhindern. Mit dem Vertrag wurden die Grenzen der Türkei völkerrechtlich anerkannt. Gleichzeitig wurde der „Bevölkerungsaustausch“ mit Griechenland in geregelte Bahnen gelenkt. Durch diesen Bevölkerungsaustausch verloren die Karamanlı ihre alte Heimat und mussten in ein Land zwangsumsiedeln, dessen Sprache und Kultur sie nicht kannten. Das Bestreben vieler Türken, ihre Freunde und Nachbarn in Anatolien zu behalten, schlug fehl. Nach der Zwangsumsiedlung der Christen aus der Türkei ging die Tragödie der Karamanlı weiter. Ein großer Assimilationsdruck, Integrationsprobleme, die Umstellung auf die andere Kultur, der abgerissene Kontakt zur alten Heimat, das Erlernen der griechischen Sprache und ein Verbot des Türkischen und damit auch des Dialekts der Karamanlı in der Öffentlichkeit zwischen 1936 und 1941 waren nur einige Probleme. Ein Ergebnis davon ist, dass die heute in Griechenland lebenden Karamanlı ihre ursprüngliche türkische Sprache nicht mehr beherrschen. Das Zusammengehörigkeitsbewusstsein blieb allerdings weitgehend erhalten: Nach dem Völkeraustausch trugen die Karamanlı durch Wohltätigkeitsorganisationen zum Aufbau und zur Entwicklung ihrer Herkunftsdörfer und -städte viel bei. Herkunftsgebiete und typische Berufe der Karamanlı
Personennamen und KulturOsmanischen Steuerunterlagen zufolge trugen die Karamanlı im 17.–18. Jahrhundert, als aus dem Arabischen stammende Namen wie Hasan, Hüseyin, Ahmed usw. bei der türkischen Bevölkerung Anatoliens weit verbreitet waren, nur türkischstämmige Namen wie Aslan, Kaplan, Tursun, Sefer, Mehmet, Karaca, Kaya, Ayvaz, Karagöz. Ihre Kultur war türkisch geprägt mit christlich-orthodoxen Einflüssen. Ein Beispiel für die eigenständige Literatur der Karamanlı ist das Gedicht „Kayseria Mitropolitleri ve Malumat-i Mütenevvia“ (1896). Es beschreibt ihre Kultur, die von ihrer christlich-orthodoxen Religion, griechischen Schrift und türkischen Ethnie sowie ihrer osmanischen Identität gekennzeichnet wird. Beispiel für LyrikIn diesem Gedicht wird darauf aufmerksam gemacht, dass nur ihre griechische Schrift sie mit den Anatolien-Griechen verbindet und alles andere in türkischer Sprache und Kultur geregelt wird. (türkisch) Rum isek de Rumca bilmez, Türkçe söyleriz; Ne Türkçe yazar okuruz, ne de Rumca söyleriz; Öyle bir mahlut-i hatt tarikatımız (karışık yazı biçimimiz) vardır; Hurufumuz Yunanice, Türkçe meram eyleriz" (deutsch) Selbst wenn wir Griechen sind, sprechen wir kein Griechisch, sondern Türkisch; Weder Türkisch können wir schreiben und lesen noch Griechisch sprechen Wir haben eine schwer verständliche Schriftsprache; Unsere Buchstaben sind griechisch, aber wir äußern unsere Wünsche (beten) auf Türkisch. Quellen und Literatur
Siehe auchWeblinksEinzelnachweise
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