Georg Franz Ratzmann (1771–1846) ist der Begründer einer Orgelbauerdynastie, die über drei Generationen Orgeln in Thüringen und Hessen baute.[1] Der Sohn Wilhelm August Ratzmann (1812–1880) zog 1839 nach Gelnhausen und eröffnete dort um 1841 eine Werkstatt, die nach seinem Tod von den Söhnen Wilhelm Ratzmann (1846–1911) und Anton August Ratzmann (1852–1928) unter dem Namen „Gebr. Ratzmann“ in dritter Generation fortgeführt wurde. Nach Wilhelms Tod verkaufte die Witwe die Werkstatt an Richard Schmidt.[2]
Richard Schmidt (* 18. April 1889 in Aubstadt; † 1951 Gelnhausen) erlernte nach einer Schreinerlehre den Orgelbau bei Georg Friedrich Steinmeyer. Nach der Gesellenprüfung folgte 1921 die Meisterprüfung. Unter seiner Leitung firmierte die Werkstatt ab 1921 unter dem Namen „W. Ratzmann, Orgelbauanstalt, Inh. Rich. Schmidt“, um einen bewussten Neuanfang zu markieren.[3] Ab 1929 nutzte er die Räume seines Schwiegervaters Franz Haupt, Mühlenbaumeister in Gelnhausen. Die Bebauung eines erworbenen Grundstücks wurde durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verhindert.[4]
Sein Sohn Bernhard (* 31. Mai 1930 in Gelnhausen; † 10. Juni 2021 in Gelnhausen) brach 1945 seine Lehre bei Haupt ab, um den Orgelbau im väterlichen Betrieb zu erlernen. Nach Abschluss der Gesellenprüfung begann er ein Maschinenbaustudium in Frankfurt, führte ab 1952 aber den Orgelbaubetrieb unter eigenem Namen fort.[5] 1954 schloss er die Meisterprüfung in Frankfurt ab. Zunächst entstanden kleinere Neubauten mit elektropneumatischer Traktur und Umbauten. Aus Platzgründen erwarb er 1969 ein Baugrundstück im benachbarten Altenhaßlau und ließ dort eine Halle für die neue Werkstatt errichten, in der etwa 60 Orgeln mit mechanischer Traktur gebaut wurden. Noch in der alten Werkstatt entstand 1967 sein größtes Werk, die Hauptorgel der Marienkirche Gelnhausen hinter dem Prospekt von Ratzmann.[6] Hobbymäßig sammelte er Kirchturmuhren aus fünf Jahrhunderten und publizierte seine Erkenntnisse.[7]
Andreas Schmidt (* 1963 in Gelnhausen), Sohn von Bernhard Schmidt, absolvierte die Orgelbaulehre im elterlichen Betrieb. Die sechs Wanderjahre führten ihn unter anderem zu Hubert Sandtner und Gerald Woehl.[5] Seit 1994 leitet er das Traditionsunternehmen. Neben Neubauten restauriert und rekonstruiert er historische Orgeln, unter denen die Werke der Familien Ratzmann und Oestreich einen besonderen Raum einnehmen.[8]
Restaurierung und Teilrekonstruktion der Orgel von Daniel Mütze (1713) auf den Zustand des Umbaus durch Wilhelm Oestreich (1872)
Literatur
Franz Bösken: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins (= Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte. Band7,1). Band2: Das Gebiet des ehemaligen Regierungsbezirks Wiesbaden. Teil 1: A–K. Schott, Mainz 1975, ISBN 3-7957-1307-2.
Franz Bösken: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins (= Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte. Band7,2). Band2: Das Gebiet des ehemaligen Regierungsbezirks Wiesbaden. Teil 2: L–Z. Schott, Mainz 1975, ISBN 3-7957-1370-6.
Franz Bösken, Hermann Fischer: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins (= Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte. Band29,1). Band3: Ehemalige Provinz Oberhessen. Teil 1: A–L. Schott, Mainz 1988, ISBN 3-7957-1330-7.
Franz Bösken, Hermann Fischer: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins (= Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte. Band29,2). Band3: Ehemalige Provinz Oberhessen. Teil 2: M–Z. Schott, Mainz 1988, ISBN 3-7957-1331-5.
Hermann Fischer: 100 Jahre Bund Deutscher Orgelbaumeister: 1891–1991. Hrsg.: Bund Deutscher Orgelbaumeister. Orgelbau-Fachverlag, Lauffen 1991, ISBN 3-921848-18-0, S.298.
Uwe Pape (Hrsg.): Lexikon norddeutscher Orgelbauer. Band1: Thüringen und Umgebung. Pape, Berlin 2009, ISBN 978-3-921140-86-4, S.241.
Krystian Skoczowski: Die Orgelbauerfamilie Zinck. Ein Beitrag zur Erforschung des Orgelbaus in der Wetterau und im Kinzigtal des 18. Jahrhunderts. Haag + Herchen, Hanau 2018, ISBN 978-3-89846-824-4.
↑Krystian Skoczowski: Die Orgelbauerfamilie Zinck. Ein Beitrag zur Erforschung des Orgelbaus in der Wetterau und im Kinzigtal des 18. Jahrhunderts. Haag + Herchen, Hanau 2018, ISBN 978-3-89846-824-4, S. 17.
↑Bernhard Schmidt: Turmuhrwerke. 2 Bde. Herausgegeben vom Fachkreis Turmuhren, Deutsche Gesellschaft für Chronometrie. Günter, Georgsmarienhütte 2001/2004, ISBN 3-9807704-0-0/ISBN 3-9807704-6-X.
↑Franz Bösken: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins (= Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte. Band7,1). Band2: Das Gebiet des ehemaligen Regierungsbezirks Wiesbaden. Teil 1: A–K. Schott, Mainz 1975, ISBN 3-7957-1307-2, S.446.
↑Franz Bösken, Hermann Fischer: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins (= Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte. Band29,1). Band3: Ehemalige Provinz Oberhessen. Teil 1: A–L. Schott, Mainz 1988, ISBN 3-7957-1330-7, S.352.
↑Franz Bösken, Hermann Fischer: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins (= Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte. Band29,2). Band3: Ehemalige Provinz Oberhessen. Teil 2: M–Z. Schott, Mainz 1988, ISBN 3-7957-1331-5, S.797.
↑Krystian Skoczowski: Die Orgelbauerfamilie Zinck. Ein Beitrag zur Erforschung des Orgelbaus in der Wetterau und im Kinzigtal des 18. Jahrhunderts. Haag + Herchen, Hanau 2018, ISBN 978-3-89846-824-4, S. 156.
↑Franz Bösken, Hermann Fischer: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins (= Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte. Band29,2). Band3: Ehemalige Provinz Oberhessen. Teil 2: M–Z. Schott, Mainz 1988, ISBN 3-7957-1331-5, S.767.
↑Krystian Skoczowski: Die Orgelbauerfamilie Zinck. Ein Beitrag zur Erforschung des Orgelbaus in der Wetterau und im Kinzigtal des 18. Jahrhunderts. Haag + Herchen, Hanau 2018, ISBN 978-3-89846-824-4, S. 173.