Rolf ItaliaanderRolf Italiaander (* 20. Februar 1913 in Leipzig; † 3. September 1991 in Hamburg) war ein deutscher Journalist und Schriftsteller, Übersetzer, Kunstsammler, autodidaktischer Forschungsreisender und Ethnograf sowie Aktivist der Homosexuellenemanzipation. Leben und SchaffenHerkunft und JugendRolf Italiaander wurde als Sohn eines niederländischen Herrenschneiders und einer Deutschen in Leipzig geboren. Durch seinen Vater, über dessen mögliche jüdische Herkunft Italiaander später widersprüchliche Angaben machte, war er niederländischer Staatsbürger. Er besuchte die Volksschule und das Schiller-Realgymnasium in Leipzig, von dem er nach eigener Auskunft 1926 relegiert wurde. Eine anschließende Schlosserlehre brach er aus gesundheitlichen Gründen ab. Von 1927 an lebte er als Pflegesohn in der Familie des Berliner Schriftstellers Willy Haas, der ihn mit der Ordnung seiner Bibliothek und redaktionellen Arbeiten an der Zeitschrift Die literarische Welt betraute. Mit besonderer Erlaubnis durfte Italiaander von 1930 bis 1932 natur- und geisteswissenschaftliche Vorlesungen an der Universität Leipzig hören, erwarb jedoch keinen akademischen Abschluss. Während seines Studiums engagierte er sich in der paneuropäischen Bewegung von Richard Coudenhove-Kalergi. Nach dem Abbruch des Studiums war Italiaander zeitlebens als freier Autor tätig, zunächst in Berlin (1934–1945), später in Hamburg (1947–1991).[1] Bereits in jungen Jahren entwickelte Italiaander ein besonderes Interesse an der Literatur und der Luftfahrt. Im Alter von 15 Jahren erlernte er das Segelfliegen und beschrieb seine Erlebnisse in einem Jugendbuch (So lernte ich Segelfliegen, 1931). Als 19-jähriger Student unternahm er eine zweimonatige Radtour durch Nordafrika und kam dadurch früh mit der Bevölkerung und Kultur Afrikas in Kontakt. Eine lebenslange Liebe zu Afrika war geboren und bildete die Grundlage zahlreicher Forschungsreisen, unter anderem zu Albert Schweitzer. Während mehrerer Vortragsreisen durch Deutschland berichtete er von seinen Expeditionen. Publizistische TätigkeitIm Dritten Reich verfasste er, teils auf Empfehlung des Fliegergenerals Ernst Udet, einige Bücher über die Fliegerei, darunter Manfred Freiherr von Richthofen, der beste Jagdflieger des großen Krieges (1938) und ein Werk über die alliierten Lufthelden des Ersten Weltkriegs (Asse, 1939). Texte wie Der junge Nettelbeck (1938) und Götz von Berlichingen galten nach dem Zweiten Weltkrieg als nationalistisch, jedoch entsprachen sie nicht explizit Normen nationalsozialistischen Denkens. Italiaander wurde, so berichtete er später, von der Gestapo verhört, da ihn seine freundschaftlichen Bande zu Gegnern des Regimes (Albrecht Haushofer, Ulrich von Hassell, Carl Friedrich Goerdeler u. a.) hätten verdächtig erscheinen lassen.[2] Nebenberuflich arbeitete er in Berlin als Lektor und Herausgeber von Jugendbüchern des Gustav-Weise-Verlags. Er war Mitglied der Reichsschrifttumskammer. Zwar hielt er Distanz zu NS-Organisationen, begeisterte sich aber für den italienischen und japanischen Faschismus. 1942 veröffentlichte er eine Biografie des italienischen Kolonialpolitikers Italo Balbo, im selben Jahr interviewte er in Rom Benito Mussolini. Die Besatzung der Niederlande durch deutsche Truppen (1940–1945) führte zur Verhaftung und Deportation mehrerer seiner Familienmitglieder. Nach dem Krieg wurden in der Sowjetischen Besatzungszone 15 von Italiaanders Büchern auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt. Unterdessen wurde er im britischen Sektor Berlins entnazifiziert.[1] Italiaander ließ sich nun in Hamburg nieder, wo er mit Hans Henny Jahnn und anderen die Freie Akademie der Künste gründete. Von 1945 bis 1947 leitete er ein Tourneetheater der brischen Armee in Deutschland. Im Jahr 1948 publizierte er zusammen mit Ludwig Benninghoff Und ließ eine Taube fliegen. Ein Almanach für Kunst und Dichtung, initiierte 1950 das Erste Hamburger Lesetheater und war 1954 Mitbegründer des Verbandes deutschsprachiger Übersetzer literarischer und wissenschaftlicher Werke, zu dessen Ehrenpräsidenten er 1962 ernannt wurde. Außerdem war Italiaander freier Mitarbeiter von Tages- und Wochenzeitungen (Die Welt, Die Zeit u. a.) sowie des Nordwestdeutschen Rundfunks (NWDR).[1] Italiaanders anhaltendes Interesse für Afrika zeigte sich in seinem Engagement für die Wiederentdeckung und Rehabilitierung des Hamburger Afrikaforschers Heinrich Barth, der in Deutschland fast vergessen war. Aktivist der HomosexuellenemanzipationAus Anlass der Frankfurter Homosexuellenprozesse verfasste Italiaander 1951 das Theaterstück Das Recht auf sich selbst, das am 2. April 1952 in den Kammerspielen Hamburg seine Uraufführung erlebte. Dies war das erste Mal, dass nach dem Zweiten Weltkrieg Homosexualität auf einer deutschen Bühne thematisiert wurde.[3][4][5] Italiaander veröffentlichte regelmäßig Texte, Fotografien und Zeichnungen in den Zeitschriften Der Kreis und Club 68 und plädierte 1968 mit der von ihm herausgegebenen Essaysammlung Weder Krankheit noch Verbrechen – Plädoyer für eine Minderheit für die Abschaffung des § 175.[6] Er schrieb 1955 einen Jean Paul Sartre über Jean Genet betitelten Begleittext zur im Rowohlt-Verlag herausgegebenen deutschen Übersetzung des Romans Querelle von Jean Genet. Museum Rade (heute in Schloss Reinbek)Um seiner Kunstsammlung, die afrikanische und asiatische Kunst sowie Werke der Hamburgischen Sezession und der naiven Malerei enthielt, einen dauernden Platz zu geben, gründete Rolf Italiaander 1970 das Museum Rade im Naturpark Oberalster in einem alten Bauernhaus in Tangstedt (Kreis Stormarn) am Rande Hamburgs, das er zusammen mit seinem langjährigen Freund, Hans Ludwig Spegg, erworben hatte. Hier entstanden auch die später zur Tradition gewordenen Kindertage zur Förderung künstlerischer Begabung mit Begleitung renommierter Künstler. 1987 wurde das Museum in eine Gründerzeitvilla am Reinbeker Mühlenteich verlagert, der alte Name blieb erhalten. Es wird seit Italiaanders Tod von der Stiftung Sammlung Rolf Italiaander / Hans Spegg verwaltet. Seit dem Sommer 2017 ist das Museum dauerhaft geschlossen, die Sammlung wurde Ende 2018 nach Schloss Reinbek verlegt.[7][8] Kritische Bewertung ItaliaandersNach mehr als zwanzig Jahren im Amt des Generalsekretärs der Freien Akademie der Künste in Hamburg musste Italiaander 1968 zurücktreten, nachdem ihn der Journalist Horst-Dieter Ebert bezichtigte, ein „Hiwi des Faschismus“ gewesen zu sein, und damit eine Debatte über Italiaanders Vergangenheit in Zeiten des NS-Regimes antieß.[9] TriviaDie Überschrift von Italiaanders Todesanzeige entsprach seinem Lebensmotto: „Seid umschlungen, Millionen! Diesen Kuss der ganzen Welt.“ Rolf Italiaander wurde auf dem Friedhof Ohlsdorf beigesetzt.[10] EhrungenDie Expertise des Schriftstellers, Völkerkundlers, Kunstsammlers, Museumsgründers und Hochschuldozenten Italiaander wurde 1984 durch die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse gewürdigt. Man sah Italiaander als einen „Abenteurer des Geistes wider alle Konventionen“ (Hanns Theodor Flemming); er selbst sah sich als „Polyhistor im Zeitalter der Spezialisten“. Zur Erinnerung an mit Leipzig verbundene Künstler werden von der Stadt Leipzig Straßen benannt. Gemäß einem Beschluss der Stadtverwaltung vom 16. April 1997 wurde eine Straße nach Rolf Italiaander benannt. Übersicht aller Auszeichnungen
WerkePolitische und ethnografische Schriften
Kinder- und Jugendbücher
Werke seine Kunstsammlung betreffend
Weiteres
Literatur
WeblinksCommons: Rolf Italiaander – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelnachweise
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