1997 gründete er die freie Schauspielgruppe wehrtheater hartmann, ab 1999 war er zwei Jahre als Hausregisseur an der Volksbühne Berlin tätig, danach inszenierte er hauptsächlich an großen Häusern wie Hamburg und Köln, aber auch im Ausland, z. B. in Wien.[2] Zwischen 2001 und 2005 war Hartmann Hausregisseur am Deutschen Schauspielhaus Hamburg und arbeitete daneben als freier Regisseur an verschiedenen Theatern im deutschsprachigen Raum.[1]
Aufsehen erregte er 1997 mit der Inszenierung von Sarah Kanes Antikriegsstück Zerbombt, die vom Rechteinhaber verboten wurde, da sie „nicht im Sinne der Autorin inszeniert“ worden sei.[3] 2006 löste seine Frankfurter Inszenierung des Massakerspiels von Ionesco einen Theaterskandal aus, als der Schauspieler Thomas Lawinky im Rahmen der Handlung dem Kritiker der Frankfurter Allgemeinen Zeitung,Gerhard Stadelmaier, den Notizblock aus der Hand entriss und ihn verbal anging („Spiralblockaffäre“).
Im April 2007 wählte der Leipziger Stadtrat Hartmann zum neuen Intendanten des Schauspiels Leipzig. Zur Spielzeit 2008/2009 trat er die Nachfolge von Wolfgang Engel an. 2011 kündigte er an, seinen 2013 auslaufenden Vertrag nicht zu verlängern.[4] 2014/15 inszenierte er als freier Regisseur mit Staub nach Seán O’Casey und Im Stein von Clemens Meyer zwei heftig diskutierte Stücke am Staatstheater Stuttgart.[5]
Hartmann ist mit der Schauspielerin Cordelia Wege verheiratet, mit der er vier Kinder hat.[6][7] Sie leben in Mecklenburg nahe der brandenburgischen Grenze.[6][7] Seine Halbschwester ist die Schauspielerin Julia Hartmann.
Arbeitstechnik
Hartmann beabsichtigt mit seinen Stücken nach Ansicht des Munzinger, das Publikum zu verstören, indem er seine Stücke „fast völlig neu“ erfinde. Sie sollten „verwirren, wütend machen und helfen, die Thematik auf einer anderen Ebene als zuvor zu betrachten“.[1] Insbesondere in seiner Zeit als freier Regisseur versuchte er laut Christian Rakow in seinen Inszenierungen auch immer wieder, die „Grenze zum Zuschauerraum [zu] überschreiten“.[2]
Es gehe in Hartmanns Inszenierungen nicht darum, „jemanden etwas [zu] erzählen, sondern um ein gemeinsames Reflektieren, das mit der Aufführung nicht endet“, schreibt der Theaterjournalist und Dramaturg Alexander Kohlmann. Mit der Premiere „nimmt das Publikum an der endlosen Probenarbeit teil“.[8]
Hartmanns Inszenierungstechniken sind auch Teil seiner Ablehnung der gegenwärtigen hiesigen Theaterwelt. In einem Interview mit der Leipziger Volkszeitung befand er, das deutsche Theater kreise seit einer gewissen Zeit nur noch um sich selbst und die Intendanten seien allesamt auf das Berliner Theatertreffen fokussiert, ohne noch zu wissen, weshalb sie dorthin sollten. Hartmann befürwortete stattdessen einen Generationenwechsel innerhalb der Intendanzen.[9]
2004: Publikumsbeschimpfung von Peter Handke, Deutsches Schauspielhaus Hamburg (Malersaal); wurde von 2008 bis 2013 auch am Schauspiel Leipzig (Centraltheater) gespielt
2013: Der große Marsch von Wolfram Lotz, Schauspiel Leipzig (Skala)
2013: Traum nach Fjodor Dostojewski, Schauspiel Leipzig (Leipziger Festspiele, Arena)
2013: Der Schneesturm von Wladimir Sorokin, Schauspiel Leipzig (Leipziger Festspiele, Arena)
2014: Der Löwe im Winter von James Goldman, Deutsches Theater Berlin
2014: Purpurstaub von Sean O’Casey, Ruhrfestspiele Recklinghausen / Schauspiel Stuttgart; wurde später unter dem Titel Staub. Ein Abend von Sebastian Hartmann gezeigt, weil der Verlag die Aufführungsrechte für Stuttgart nicht erteilte[28]
2014: Woyzeck nach Georg Büchner, Deutsches Theater Berlin
2015: Dämonen von Fjodor Dostojewski, Schauspiel Frankfurt
2015: Im Stein nach Clemens Meyer, Schauspiel Stuttgart
2016: Der Revisor nach Nikolai Gogol, Schauspiel Frankfurt
2016: Berlin Alexanderplatz nach Alfred Döblin, Deutsches Theater Berlin[29]
2021: Vor den Vätern sterben die Söhne nach Thomas Brasch, Staatsschauspiel Dresden
2021: Der Idiot nach Fjodor Dostojewski, Deutsches Theater Berlin
2022: Der Einzige und sein Eigentum von Sebastian Hartmann und PC Nackt nach Max Stirner, Deutsches Theater Berlin[39]; eingeladen zum 60. Theatertreffen (2023) in Berlin
2023: Traumnovelle nach Arthur Schnitzler, Schauspiel Frankfurt
2023: Vernichten nach Michel Houellebecq, Staatsschauspiel Dresden
2024: Atlantis – Die Welt als Wille und Vorstellung von Sebastian Hartmann und PC Nackt, Staatsschauspiel Dresden
2024: Eines langen Tages Reise in die Nacht von Eugene O’Neill, Staatsschauspiel Dresden
↑Matthias Heine: Mutter Zombie ist die Schönste unter der Ibsen-Sonne. In: DIE WELT. 19. November 1999 (welt.de [abgerufen am 8. Juni 2022]).
↑ESTHER SLEVOGT: Wunschmaschine à la Endemol. In: Die Tageszeitung: taz. 30. September 2000, ISSN0931-9085, S.28 (taz.de [abgerufen am 8. Juni 2022]).
↑Für Sebastian Hartmann ist das Nichts nichts anderes als eine Autowaschanlage. In: Der Tagesspiegel Online. 26. Mai 2000, ISSN1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 8. Juni 2022]).
↑Werner Theurich: Hamburger Schauspielhaus: Biedermanns Bullyparade. In: Der Spiegel. 18. April 2002, ISSN2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 8. Juni 2022]).
↑Wo ein Wille ist, ist auch ein Wald. In: Der Tagesspiegel Online. 21. Januar 2003, ISSN1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 8. Juni 2022]).
↑CAROLINE MANSFELD: Radikalität als Selbstzweck. In: Die Tageszeitung: taz. 15. April 2003, ISSN0931-9085, S.23 (taz.de [abgerufen am 8. Juni 2022]).
↑Katrin Bettina Müller: „Krieg und Frieden“ in Leipzig: Verschiebungen in der Seele. In: Die Tageszeitung: taz. 24. September 2012, ISSN0931-9085 (taz.de [abgerufen am 8. Juni 2022]).