Die Beitragsbemessungsgrenze ist eine Rechengröße im deutschen Sozialversicherungsrecht. Sie bestimmt, bis zu welchem Betrag die beitragspflichtigen Einnahmen von gesetzlich Versicherten für die Beitragsberechnung der gesetzlichen Sozialversicherung herangezogen werden. Der Teil der Einnahmen, der die jeweilige Grenze übersteigt, bleibt für die Beitragsberechnung außer Betracht.
Der Beitrag zur gesetzlichen Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung wird jeweils in einem Prozentsatz vom sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelt bemessen. Übersteigt das Arbeitsentgelt die Beitragsbemessungsgrenze, wird der Versicherungsbeitrag von diesem Grenzbetrag erhoben. Vom Erreichen der Beitragsbemessungsgrenze an bleiben die absoluten Beiträge zur jeweiligen Versicherung konstant, sodass der prozentuale Anteil am Bruttoeinkommen sinkt.
Jährliche Anpassung
Die Beitragsbemessungsgrenzen werden jährlich von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung angepasst, und zwar in dem Verhältnis, in dem die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer im vergangenen zu den entsprechenden Bruttolöhnen und -gehältern im vorvergangenen Kalenderjahr stehen, aufgerundet auf das nächsthöhere Vielfache von 600 €/Jahr bzw. 50 €/Monat. (§ 159 SGB VI)
Im Jahr 2003 wurde die Beitragsbemessungsgrenze für die gesetzliche Rentenversicherung abweichend von dieser Regel einmalig stärker angehoben.[1]
Für das Beitrittsgebiet (in der Tabelle unten als „Ost“ bezeichnet) gilt von 1990 bis 2024 eine besondere Beitragsbemessungsgrenze, § 228a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 in Verbindung mit Anlage 2a SGB VI; das weitere Bundesgebiet wird mit „West“ bezeichnet (Anlage 2 SGB VI).
Entwicklung der Höhe der Beitragsbemessungsgrenzen in der Gesetzlichen Rentenversicherung 2025 bis 1990
Die Beitragsbemessungsgrenzen in der Arbeitslosenversicherung entsprechen denen der allgemeinen Rentenversicherung (§ 341 Abs. 4 SGB III).
Gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung
Die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung entspricht nach § 223 Abs. 3 SGB V bzw. § 55 Abs. 2 SGB XI in ihrer Höhe der besonderen Jahresarbeitsentgeltgrenze, die in § 6 Abs. 7 SGB V geregelt ist. Während diese Beitragsbemessungsgrenze bestimmt, bis zu welcher Höhe die Einnahmen des Versicherten beitragspflichtig sind, ist die Versicherungspflichtgrenze maßgeblich für die Frage, bis zu welcher Höhe des Arbeitsentgelts Arbeitnehmer pflichtversichert sind, dies ist die allgemeine Jahresarbeitsentgeltgrenze.
Bei der Jahresarbeitsentgeltgrenze wird unterschieden zwischen
Allgemeine Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 6 SGB V: Diese gilt für alle Arbeiter und Angestellten, die sich seit dem 1. Januar 2003 neu privat krankenversichert haben. Sie ist höher als die Besondere Jahresarbeitsentgeltgrenze.
Besondere Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 7 SGB V: Diese gilt (als Versicherungspflichtgrenze) nur für Arbeiter und Angestellte, die bereits am 31. Dezember 2002 privat krankenversichert waren. Von ihr wird (für alle Beschäftigten) die Beitragsbemessungsgrenze für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung abgeleitet.
Vor 2003 gab es diese Unterscheidung nicht, bis 2002 einschließlich waren beide Grenzen identisch:
Entwicklung der Höhe der Beitragsbemessungsgrenze und Versicherungspflichtgrenze in der Kranken- und Pflegeversicherung
Seit 2004 ist die steuerliche Vorsorgepauschale unter anderem wieder von der Höhe der Beitragsbemessungsgrenze abhängig.
Hintergrund
Eine Umverteilung zwischen gering und besser verdienenden Arbeitnehmern war bei der Konzeption der Sozialversicherungen nicht geplant, weshalb die Höhe der eingezahlten Beiträge etwa in der Rentenversicherung die Höhe der ausgezahlten Leistungen bestimmte. Dies galt ursprünglich auch für die Krankenkassen, deren Ausgaben ursprünglich zu fast 95 Prozent für die Auszahlung des (vom Einzahlungsbetrag abhängigen) Krankengeldes aufgewandt wurden. Bei Personen mit einem Einkommen über der Beitragsbemessungsgrenze wurde unterstellt, dass diese keinen oder zumindest keinen über diesen Beitrag hinausgehenden Schutz durch die Sozialkassen benötigen.
Kritik
Bei den Krankenversicherungen wird kritisiert, dass bei fast gleichen Leistungen vom Arbeitseinkommen abhängige Beiträge erhoben werden (Ausnahme: Krankengeld). Daher wird teilweise für durchschnittsrisikoäquivalente Beiträge (Pauschalen, abwertend auch „Kopfprämie“ genannt) plädiert.
Die Beitragsbemessungsgrenze bewirkt eine unterschiedliche finanzielle Belastung von Familien je nach Aufteilung der Erwerbsarbeit: So zahlen Ehepartner bei gleichem Familieneinkommen, sofern es über der Bemessungsgrenze liegt, in Ein- und in Zweiverdienerehen unterschiedlich hohe Beiträge, da die insgesamt fälligen Beiträge von der Verteilung des Einkommens auf die Ehepartner abhängen.[13] Allgemeiner werden aufgrund der Beitragsbemessungsgrenze Ehepaare mit ungleich hohem Einkommen, sofern ein Einkommen über und das andere unter der Beitragsbemessungsgrenze liegt, gegenüber Ehepaaren mit zwei gleich hohen Einkommen begünstigt.[14]
Die ehemalige Familienministerin Renate Schmidt forderte 2016 gemeinsam mit Autorin Helma Sick, die Beitragsbemessungsgrenze ganz abzuschaffen oder zumindest zu verdoppeln und das dadurch zusätzlich eingenommene Geld in die Familienpolitik zu investieren.[15]