Die Handschrift von SaragossaDie Handschrift von Saragossa bzw. Die Abenteuer in der Sierra Morena (im französischen Original Manuscrit trouvé à Saragosse) ist ein Roman von Jan Graf Potocki (1761–1815). Der Titel erklärt sich daraus, dass sich das Werk in einem kurzen Vorwort des „Herausgebers“ als ein altes Manuskript ausgibt, das letzterer während der Napoleonischen Kriege auf der Iberischen Halbinsel in einem verfallenen Gebäude nahe der spanischen Stadt Saragossa gefunden haben will. Entstehung und VeröffentlichungDer polnische Adelige Jan Potocki, den seine Zeitgenossen v. a. als Forschungsreisenden, Ethnographen und Historiker kannten, ist heute hauptsächlich als Verfasser des Romans bekannt, an dem er etwa von 1797 bis zu seinem Tod 1815 arbeitete. Die Publikationsgeschichte ist selbst romanhaft: Zu Potockis Lebzeiten erschienen nur Privatdrucke in Kleinstauflagen mit Teilen des französischen Textes. Nach Potockis Freitod ging das von ihm zur Drucklegung nach Paris geschickte vollständige Manuskript verloren und konnte trotz der von Puschkin angeregten Nachforschungen nicht wieder aufgefunden werden. Dafür erschienen mehrere Raubdrucke, so dass Potockis Urheberschaft erst durch einen Gerichtsprozess wieder bekannt wurde. Eine vollständige, aber unzuverlässige polnische Übersetzung des Romans erschien 1847. Obwohl inzwischen weitere Textteile in Potockis „Handschrift“ aufgetaucht sind, bleibt die Wiederherstellung des Textes eine Rekonstruktionsarbeit: Noch in der aktuellen französischen Ausgabe von 1989 mussten ca. 15 % des Textes aus der polnischen Übertragung rückübersetzt werden, während der Rest mehr oder minder sicher im französischen Original überliefert ist. Aufbau und InhaltNach dem Vorbild der Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht sowie Erzählzyklen der Renaissance (Giovanni Boccaccios Decamerone, Margarete von Navarras Heptaméron) besteht Die Handschrift von Saragossa aus einer Rahmenerzählung, in die zahlreiche Geschichten eingebettet sind. Der jugendliche (und teils etwas naive) Held, Alphonse (bzw. Alfonso) van Worden, muss die unwirtliche Sierra Morena im Hochland von Spanien durchqueren, gerät dabei in zahlreiche Abenteuer, insbesondere (scheinbare) Spuk- und Gespenstergeschichten, und begegnet zahlreichen teils obskuren, teils faszinierenden Personen, welche die eingebetteten Geschichten erzählen. Es handelt sich narrativ nicht um eine lineare Abfolge. Die Geschichten sind vielmehr auf bis zu sechs Ebenen ineinander verschachtelt, unterbrechen einander, greifen ineinander über, indem Personen aus einer Geschichte in einer anderen wiederauftauchen, und unterminieren das scheinbar schlichte Rahmenprinzip vollends, indem Parallelen zwischen einzelnen Geschichten und der Rahmenhandlung auftreten oder beide gar ineinander übergehen. So löst sich die althergebrachte Form der Rahmenerzählung in ein „Kaleidoskop“ (Roger Caillois) von Geschichten auf, deren genauen Zusammenhang der Leser wie bei einem Kriminalroman erst am Buchende durchschaut. Durch diese einzigartige Struktur greift Potocki literarischen Experimenten des 20. Jahrhunderts vor, etwa Franz Kafka, Jorge Luis Borges oder postmodernen Autoren. Rezeption und AdaptionenDer Roman wurde 1964 unter der Leitung von Wojciech Jerzy Has in Polen als Schwarzweißfilm unter dem gleichen Titel verfilmt. Die Hauptrollen spielten Zbigniew Cybulski, Kazimierz Opaliński, Elżbieta Czyżewska, Iga Cembrzyńska und Joanna Jędryka. Der Film fand viele Bewunderer unter den Protagonisten der 68er-Bewegung, insbesondere bei dem Grateful-Dead-Gitarristen Jerry García. Die Filmmusik stammt aus der Feder des polnischen Komponisten Krzysztof Penderecki. Frei nach dem Roman entstand 1968 in Frankreich die vierteilige Fernsehserie La duchesse d'Avila, die allerdings erst 1973 ausgestrahlt wurde.[1] 1975 wurde die Serie unter dem Titel Abenteuer in der Sierra Morena im DDR-Fernsehen ausgestrahlt.[2] Der spanisch-kanadische Komponist José Evangelista schrieb 2001 eine Oper nach dem Libretto von Alexis Nouss (UA Société de musique contemporaine du Québec (SMCQ)).[3] Der italienische Regisseur Alberto Rondalli adaptierte den Roman 2017 in einem Spielfilm mit dem Titel Agadah. Zitate
Wichtige Ausgaben des Romans (Auswahl)
Sekundärliteratur
Einzelnachweise
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