Jae Fleischhacker in ChikagoJae Fleischhacker in Chikago ist ein Dramenfragment von Bertolt Brecht, das 1924–1929 in Zusammenarbeit mit Elisabeth Hauptmann entstand. Thema sind Weizenspekulationen an der Warenterminbörse in Chicago und deren soziale Auswirkungen. Die Arbeit an dem Fragment soll Ausgangspunkt für die Entwicklung eines neuen Theaterkonzepts gewesen sein. Am 26. Juli 1926 notiert Elisabeth Hauptmann in ihr Tagebuch über Brechts Überlegungen:
Brecht versucht zunächst, sich über die Vorgänge an der Weizenbörse zu informieren. Erstes Material liefert der Roman „The Pit“[2] (1903) (dt. Die Getreidebörse) des Amerikaners Frank Norris. Nach einer Unterbrechung für das ähnlich gelagerte Projekt „Dan Drew“ recherchiert Brecht Anfang 1926 weitere Informationen zur Weizenbörse. Das Thema „Weizen“ ergibt die Möglichkeit, besonders drastisch die Folgen der Spekulationen zu zeigen, da durch die Marktmanipulationen Hungersnöte entstehen können. Er entschließt sich, das bisher Geschriebene mit dem Entwurf zu einem Hurrikanstück zusammenzuführen, das das Schicksal einer Familie darstellt, um auch die sozialen Folgen der Börsenaktionen zu erfassen. Elisabeth Hauptmann sammelt Zeitungsausschnitte, amerikanische Fachbegriffe und passende Eigennamen, Brecht sucht Kontakt zum Börsenexperten Dr. August Singer.[3] Trotz konkreter Aufführungspläne für die Spielzeit 1927/28 der Piscator-Bühne bricht Brecht 1929 die Arbeit am Stoff ab.[4] Hierzu ist von Brecht überliefert:
Brecht gibt an, er habe aufgrund des Fleischhackerstoffes mit intensiven Studien der ökonomischen Schriften von Karl Marx begonnen. Das Thema Warentermingeschäfte und Motive aus dem Fleischhackermaterial greift Brecht mit dem Stück Die heilige Johanna der Schlachthöfe wieder auf. Die Schilderungen des Lebens in Chicago beruhen vor allem auf literarischen Quellen. Upton Sinclairs The Jungle gehört ebenso dazu wie Gustavus Myers „The History of Great American Fortunes“[6] (1907) und Bouck Whites „The Book of Daniel Drew“.[7] Für die Darstellung des Geschehens an der Börse erstellt Elisabeth Hauptmann ein umfangreiches Exzerpt aus dem Roman „The Pit“ von Frank Norris, das Brecht sehr intensiv verwendet. Die Fragmente schildern verschiedene Börsenstrategien. Dabei geht es im Kern um den Versuch einer Hausse-Spekulation. Jae versucht, ein Monopol auf Weizen zusammenzukaufen, um dann als einziger Besitzer hohe Preise diktieren zu können. Dabei kommen die Einflüsse verschiedener Faktoren auf den Markt zum Tragen. Um die sozialen Folgen der Spekulation zu zeigen, beschreibt Brecht den Zuzug der Farmerfamilie Mitchel nach Chicago und deren Untergang. Die Beziehung zwischen Familie und dem Großspekulanten stellt Brecht her, indem er Fleischhacker zum verlorenen Sohn der Familie erklärt. Brecht dachte auch daran, den anderen Sohn als Führer eines Streiks und damit als Gegenfigur zu gestalten. Drastisch gestalten Fragmente den Niedergang der Familie. Die Tochter, von der Familie als Prostituierte verkauft, bekennt sich offen zu ihren „schlechten Begierden“. Patrick Primavesi interpretiert diesen Umschlag von Verelendung in Begierde sowohl als „asoziales Moment“ als auch als revolutionäre Tendenz und bezieht sich dabei auf Brechts Überschrift: „Kate Mitchel kündigt ihrer Familie künftigen Aufruhr an“ (GBA S. 287)[8]. Am 21. März 1998 fand die Uraufführung des Stücks im Berliner Ensemble unter der Regie von Thomas Heise statt, der zusammen mit Ute Scharfenberg die Bühnenfassung erstellte. Die Musik komponierte Wolfram Krabiell, ausgeführt wurde sie von der „Bolschewistischen Kurkapelle Schwarz-Rot“. Für den Deutschlandfunk und den Bayerischen Rundfunk erstellte Ulrich Gerhardt eine Bearbeitung, die am 21. Februar 1998 zum ersten Mal gesendet wurde.[9] Textausgaben
Literatur
Einzelnachweise
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