Darauf herrschte in der Schweiz de factoWaffenstillstand. Nachdem die Franzosen aber Verstärkung erhalten hatten, eroberten sie vom 13. bis 16. August das Oberwallis und die Waldstätten zurück, wobei sie bei Oberwald (Turreau), Schwyz (Massena) und Amsteg (Lecourbe) wiederum insgesamt 1600 Mann verloren haben sollen, die Österreicher aber volle 7600.[16]
Gleichzeitig traf ein «Kaiserlich-Rußisches Hülfscorps»[17] unter Korsakow in der Schweiz ein, um die Truppen Erzherzogs Karls abzulösen, wobei ein österreichisches Korps unter Hotze im Linthgebiet blieb. Vor seinem Abzug versuchte der Erzherzog noch, zusammen mit Korsakow über die Aare zu setzten, was aber von französischen und helvetischen Truppen verhindert wurde (Gefecht bei Döttingen, 17. August).
Selbst entschiedene Gegner der Helvetik berichteten über die neue Besatzungsmacht negativ. Was deren Verhalten gegenüber der Bevölkerung betrifft, schrieb Johann Georg Müller: «Die Bauren um Zürich wurden so drangsalirt, daß allenthalben die äusserste Erbitterung gegen die Russen herrscht.» Im Vergleich zu diesen seien die Franzosen «zahm und edel».[18] Nachdem er die Zweite Schlacht bei Zürich miterlebt hatte, gab David Hess zu, dass er sich die Franzosen zurückgewünscht habe: «Von allen Völkern Europas sind die Russen die wildesten und dümmsten.»[19]
Einen für den 30. August geplanten Limmatübergang bei Vogelsang (Gemeinde Gebenstorf), wo sich eine (für Kavallerie passierbare) Furt befand,[20] blies Massena wieder ab, weil die Bedingungen ungünstig und die Truppen des Erzherzogs noch im Land waren.[21] Zuvor hatte er seinen linken FlügelAblenkungsmanöver durchführen lassen – die DivisionSoult einen Vorstoss über die Linth, die BrigadeMolitor (Teil der Division Lecourbe) die Besetzung des Glarnerlandes.[22]
Ohne den Erzherzog waren die Koalierten dann ab Mitte September den Franzosen deutlich unterlegen.[23] Da Korsakow Zuzug aus Italien unter seinen Vorgesetzten Suworow erwartete, setzte Massena alles daran, Zürich vor dessen Eintreffen zurückzuerobern. Soult und Molitor beschäftigten weiterhin den im Linthgebiet verbliebenen Hotze. Als die Franzosen die Limmat überschritten, hatte Suworow erst Wassen erreicht.[24] Bei den Kämpfen im Gotthardgebiet verloren 9000 Franzosen unter Lecourbe gemäss Bodart 2000 Mann, 21'000 Russen und Österreicher das Dreifache.[25]
Französische Vorbereitungen
Von 16 Kompanien des in zwei Bataillone eingeteilten französischen Pontonierkorps verfügte Massena damals über zwölf mit einem Effektivbestand von etwa 700 Mann.[26] An der Limmat eingesetzt wurden neben Schiffleuten und Arbeitern sechs dieser Kompanien[27] unter dem Gründer des Korps, chef de brigade Dedon.[28]
Die meisten für den Limmatübergang verwendeten Boote waren beim Rückzug aus Zürich nach Brugg verbracht worden. Von dort mussten sie über Bremgarten nach Dietikon transportiert werden, denn die Zerstörung der Brücken von Baden und Wettingen hatte die Limmattalstrasse unterbrochen. Dieser Umweg erleichterte zwar die Geheimhaltung, doch waren die langen und schweren Boote kaum durch das verwinkelte Bremgarten zu bringen. Dazu war die Strasse über den Mutschellen «sehr schmal, sehr schlecht, fast immer eingeschnitten und von den ständigen Niederschlägen eines sehr nassen Sommers in Mitleidenschaft gezogen» (Dedon).
Ursprünglich hatten Massena 30 Boote aus den Artilleriewerkstätten von Strassburg zur Verfügung gestanden. Vier davon, die eine Gierseilfähre über die Aare trugen, waren während des Gefechts bei Döttingen verbrannt. Zehn andere wurden für eine unentbehrliche Schiffbrücke über die Reuss bei Windisch benötigt. So blieben nur die 16 Boote einer weniger wichtigen Reussbrücke bei Rottenschwil. Diese waren für den abgeblasenen Limmatübergang bei Vogelsang nach Brugg geschafft, dann aber, um keinen Verdacht zu erregen, zurückgebracht worden.
Zum Übersetzen der Avantgarde wurden requirierte Boote mittlerer Grösse benötigt, die sich auf Wagen verladen liessen. Davon war aber nur ein Dutzend vorhanden. Dazu kamen zehn Weidlinge, die helvetische Milizen bei Paraden verwendet haben sollen. Zwar gab es in Brugg auch grössere Boote von der Aare und vom Vierwaldstättersee mit einem Fassungsvermögen von insgesamt 2000 Mann, die aber nicht zu Land transportierbar und daher nur für ein Ablenkungsmanöver nahe der Limmatmündung verwendbar waren. Da mindestens 600 Mann aufs Mal übergesetzt werden sollten, bemühte man sich noch um die Lieferung von Fischerbooten von anderen Seen. Jene vom Zugersee mussten mit Soult geteilt werden, der gleichzeitig eine Überquerung der Linth bei Bilten und eine Landeoperation bei Schmerikon am oberen Zürichsee durchführen sollte. Am Schluss verfügte Dedon über 37 Boote aller Art mit einem Fassungsvermögen zwischen 20 und 40–45 Bewaffneten.
Für den Transport derselben und der 16 Artillerieboote gab es etwa 30 geeignete Wagen, von denen er sechs an Soult abgab. Es waren daher zwei bis drei Transporte nötig, die bis Bremgarten mit den Artilleriepferden der Division Ménard und von dort weg mit jenen der Division Lorge vorgenommen wurden. In Dietikon hielt man die Wagen hinter einem Tannenwald an, um sie nachts etwa einen Kilometer vom Ufer entfernt hinter Hecken[29] zu entladen. Dann kehrten sie sofort nach Brugg zurück. Diese Transporte wurden seit dem 30. August vorbereitet und vor dem 17. September abgeschlossen, so dass noch Zeit für die Reparatur beim Transport beschädigter Boote blieb.
Die Vorbereitungen für das geplante Ablenkungsmanöver bei Vogelsang wurden absichtlich vor den Augen des Feindes durchgeführt. In Brugg stellte man dafür unter anderem eine Gierseilfähre (fliegende Brücke) mit zwei grossen Booten vom Vierwaldstättersee und grosse Flösse mit Holz aus dem Kanton Solothurn bereit.
Beide Operationen waren für den 26. September vorgesehen. Dass Massena sie auf den 25. verschob, teilte er Dedon erst am 24. um fünf Uhr abends mit. Grund für die Verschiebung waren wohl Meldungen, dass Suworow den Gotthard überschritten habe und auch die französische EmigrantenarmeeCondé sowie ein bayerisches Korps Korsakow zu Hilfe eilten.
Die Schwimmbrücke blieb bis in der Nacht zum 24. in Rottenschwil. Dann wurde sie – bis Bremgarten auf der Reuss – nach Dietikon transportiert, wo sie am Vorabend des Übergangs eintraf. Den Wagen mit den Booten folgten etwa 60 requirierte, von HusareneskortierteOchsengespanne mit Tauwerk etc.[30]
Übergangsstelle
Die Übergangsstelle befand sich an einer gegen Dietikon ausspringenden Flussschlaufe oder Halbinsel. Ein kleines Plateau vor Niederurdorf bot der französischen Artillerie eine vorteilhafte Schussposition. Das Wäldchen am Rand der Halbinsel bewirkte, dass die Übergangsstelle von Norden her nicht einsehbar war. Dahinter befand sich eine grosse Wiese (heute Golfplatz Unterengstringen), die unter Kreuzfeuer genommen werden konnte. Dort stand die Scheune, welche den Russen als Hauptposten diente. Abgeschlossen wurde die Halbinsel von einer mit Tannenwald bedeckten Anhöhe (Hard).
Die Limmat war an der Übergangsstelle nur 90 m breit. Am linken Ufer gab es keine Deckung. Bei lärmigem Antransport der Boote mit Wagen hätte schon das Abladen unter dem Feuer der Posten am Gegenufer erfolgen müssen.[31]
Instruktionen Massenas
Militärhistoriker neigen dazu, Mannschaftsstärke und Verluste der eigenen Truppen ab-, jene des Gegners aufzurunden.[32] Während der spätere russische Kriegsminister Miliutin die Stärke der am 25. September zwischen Zürich und der Aaremündung verfügbaren Divisionen und Brigaden der Armée du Danube mit 38'500 bzw. 39'000 Mann angibt,[33] waren es gemäss dem Franzosen Hennequin nur 35'458 Mann. Diese hätten sich an folgenden Standorten befunden:
Lorge: 16'434 Mann – davon Dietikon, Urdorf etc. 5004 Mann (Gazan), Schlieren etc. 3110 Mann (Bontemps), von andern Divisionen 3945 Mann, von Ménard 4375 Mann (Quétard)
Mortier: 7218 Mann – davon Oberalbis etc. 2461 Mann (Drouet), Altstetten, Albisrieden, Uetliberg etc. 4757 Mann (Brunet)
Klein: 6327 Mann – Reserve in Schlieren, Mellingen, im Marsch auf Schlieren
Nach den Instruktionen Massenas, der den Limmatübergang von Dietikon aus leitete, sollten:
Ménard den Eindruck erwecken, die Franzosen würden über die Aare oder bei Vogelsang über die Limmat setzen; die Brigade Quétard an Lorge abtreten; die Limmat bei Dietikon überschreiten, nachdem Lorge die Anhöhen bei Regensdorf und Dällikon erreicht hatte, und sich nach Ehrendingen begeben (Quétard nach Otelfingen)
Lorge und Quétard die Limmat bei Tagesanbruch überqueren; Gazan die Avantgarde kommandieren und auf den Anhöhen beim Kloster Fahr Fuss fassen; Bontemps ihm folgen und seine linke Flanke gegen Oetwil verlängern; anschliessend beide die Anhöhen bei Regensdorf und Dällikon besetzen; Dedon währenddessen die Brücke fertigstellen; danach Quétard, die leichte Artillerie, die Kavallerie und zuletzt Klein übersetzen
Mortier die vor Zürich am linken Limmatufer versammelten Russen beschäftigen; Wollishofen angreifen, Albisrieden und Altstetten halten
Klein hinter Mortiers linkem Flügel Stellung beziehen; später Lorge am rechten Limmatufer unterstützen[34]
Aufstellung der Russen
Als das «dritte Kaiserlich-Rußische Hülfscorps»[35] 1799 durch Bayern und Schwaben nach der Schweiz zog, zählte es laut einem bayerischen Autor 36'321 Mann, 21'606 Pferde und 60 Feldgeschütze.[36] Miliutin hingegen nennt für die Zweite Schlacht bei Zürich um ein Drittel bis ein Viertel kleinere Zahlen: 24'000 Mann bzw. unter Einschluss detachierter Einheiten 27'116.[37] Nach ihm waren die Russen am 25. September wie folgt aufgestellt:
Durasow: 7840 Mann[38] – davon Höngg–Baden 3000 Mann (Markow), Baden–Koblenz 4840 Mann (Puschtschin)
Gortschakow: 10'330 Mann – davon Sihlfeld 6214 Mann (Tutschkow), Wollishofen 2237 Mann (Essen), Zürich 770 Mann, Wipkingen 552 Mann (Schepelew), Artillerie 557 Mann
Sacken: 5670 Mann – Reserve, am 24. auf Befehl Suworows an Hotze abgetreten[39]
Gudowitsch: 3276 Mann – Kavallerie und Feldartillerie, am Rhein zurückgelassen
Demnach hatte Korsakow nur zwei Drittel seiner Truppen (18'170 Mann) zwischen Zürich und der Aaremündung stehen. Laut Miliutin ergriff er «für den Fall eines feindlichen Angriffs nicht die geringste Maßregel, und ließ, da er sich selbst zu einer Offensivbewegung vorbereitete, sämmtliches Gepäck sowie die Parke[40] nach Zürich schaffen». Von Massenas Absicht habe er «auch nicht die geringste Ahnung» gehabt.[41]
An anderer Stelle beziffert Miliutin die Stärke der Russen zwischen Weiningen und Wollishofen auf 12'350 Mann (15 ½ Bataillone, 15 Schwadronen, 2 Kosakenregimenter):
Markow: 1100 Mann – Verstärkungen von Oetwil und Würenlos eintreffend
Posten bei Kloster Fahr: 900 Mann
Schepelew: 550 Mann – Posten bei Wipkingen
In Zürich: 800 Mann
Tutschkow: 6500 Mann – in der Hauptstellung vorwärts der Sihl
Essen: 2500 Mann – bei Wollishofen zwischen der Sihl und dem Zürichsee[42]
Dedon nennt für den Abschnitt zwischen Würenlos und Höngg höhere Zahlen:
hinter dem Tannenwald gegen Weiningen: mindestens 2000 Mann (fast alles Grenadiere) mit 7 Geschützen
im Wald näher beim Kloster Fahr: 400 Kosaken
in Würenlos: 5000–6000 Mann
dazu Kavallerie und Kosaken in Höngg, Weiningen, Oetwil, Würenlos[43]
Gemäss Miliutin hatte Durasow, der den Befehl über den Limmat-Kordon erst am Vortag von Sacken übernommen hate, an dessen Instruktionen nichts geändert. Darin sei zwar der Übergangspunkt bei Dietikon als einer der bequemsten für den Feind bezeichnet gewesen. Trotzdem hätten vorwärts Weiningen und Kloster Fahr nur 1 BataillonGrenadiere (Treublut) mit 608 Mann und 1 RegimentUralkosaken (Misinow) mit 286 Mann und 2 Geschützen gestanden, und zwar auf Anhöhen hinter dem Wald, eine gute Viertelstunde vom Übergangspunkt entfernt. Das Ufer sei nur mit einer Vorpostenkette aus Kosaken und Infanterie besetzt gewesen. Ein rückwärtiger Posten mit 362 Musketieren (2 Kompanien des Regiments Markow) habe sich in Oetwil befunden. Noch weiter entfernt hätten in Würenlos Markow selbst mit 1085 Musketieren (anderthalb Bataillone) und 2 Geschützen gestanden und in Wettingen 1 Bataillon Grenadiere (Schkapski) mit 586 Mann und 2 Geschützen.
Miliutin schreibt: «Auf diese Weise hatten die französischen Vortruppen bei dem Beginne ihres Uebergangs über die Limath keinen kräftigen Widerstand zu befürchten; die ganze Fläche vor dem Walde konnte durch das Kreuzfeuer zweier Batterien vollkommen gesäubert werden. Nur im Walde selbst und auf den Abhängen des sich an den Höhen hinziehenden Ufers bei Kloster-Fahr hatten die Russen eine vortheilhafte Stellung; doch erhielten auch die Franzosen, nachdem sie sich des Waldes und des Klosters bemächtigt, eine gleich vortheilhafte Deckung, welche ihnen als Brückenkopf dienen konnte.»[44]
Übersetzen der Franzosen
Die Ausführung des Übergangs erfolgte, wie Miliutin anerkennt, «mit ungewöhnlicher Schnelligkeit und mit musterhafter Ordnung». Der Erfolg des Unternehmens habe sogar die Erwartungen Massenas übertroffen.[46]
Beim Einnachten wurden die Boote zum Übersetzen der Avantgarde auf den Schultern der verfügbaren Pontoniere – die von Bremgarten kommenden waren noch nicht eingetroffen – und laut Massena von 3000 Soldaten[47] ans Ufer getragen. Pro Boot erforderte dies 20–100 Mann (gemäss Dedon doppelt so viele, wie wenn es sich um Pontoniere gehandelt hätte).[48] Dabei galt es, jedes Geräusch zu vermeiden, was in der Dunkelheit und auf dem unebenen, rutschigen Gelände, das von Gräben durchzogen war, einfacher gesagt als getan war.
Rechts wurden die leichtesten Boote aufgereiht, links die mittelgrossen. Erstere sollten die feindlichen Posten überraschen, Letztere Truppen auf eine Insel in der Limmat übersetzen. Die schwersten kamen in die Mitte. Hinter jedes Boot legten sich die zugeteilten Pontoniere mit den Rudern in den Händen.
Ebenfalls in grösster Stille brachte Artilleriemajor Foy[49] seine 18 (gemäss Miliutin 20) Geschütze in Stellung. Um die Limmathalbinsel unter Kreuzfeuer zu nehmen, platzierte er auf dem erwähnten Plateau vor Niederurdorf Kanonen, unterhalb Dietikons in der Gegenrichtung feuernde Haubitzen. Dazwischen sollte leichte Artillerie die feindlichen Posten aus der Nähe beschiessen. Weiter limmatabwärts sperrte eine Batterie Zwölfpfünder von einer Anhöhe bei Spreitenbach aus die rechtsufrige Strasse Baden–Zürich.
Laut Miliutin war die Nacht dunkel und neblig. Übergesetzt werden sollte zuerst die Brigade Gazan, dann der Rest der verstärkten Division Lorge. Währenddessen sicherten Kleins Grenadiere und Kavalleristen die Ebene zwischen Dietikon und Schlieren, denn die feindlichen Vorposten auf der linken Limmatseite waren nur 6–7 km entfernt.
Von den 600 Mann der ersten Angriffswelle[50] überraschten 160–180 mit 8–9 Weidlingen von der Mündung des Schäflibachs[51] aus die feindlichen Posten. Übergesetzt wurden sie von der Pontonierkompanie 6/I (Leutnant Nanot). Als Musketenschüsse ertönten, schrie der Rest der Wartenden «En avant, en avant!» und zog die grösseren Boote ins Wasser. Diese wurden von der Pontonierkompanie 5/II (Henri) und einem Detachement der Kompanie 8/II (Lefranc) übergesetzt. Keines ging unter, niemand ertrank. Das Feuer von Artillerie und Infanteriepelotons machte Widerstand nutzlos und wurde bald eingestellt, um die Vorrückenden nicht zu gefährden.
Diese wurden Miliutin zufolge am Rand des Wäldchens vom Feuer der beiden «Einhörner»[52] und des Grenadierbataillons Treublut empfangen, worauf sich ein Tirailleurgefecht entspann. Laut Jomini war der Zusammenstoss blutig, ohne lange zu dauern; trotz ihrer zahlenmässigen Unterlegenheit hätten sich die Russen mit einer Entschlossenheit verteidigt, «die eines besseren Schicksals würdig gewesen wäre».[53] Gemäss Miliutin waren sie schon kaum mehr imstande, sich zu halten, als General Markow auf dem Kampfplatz erschien. Nach ihm seien auch einige Kompanien von Oetwil und Würenlos eingetroffen. Die «Republikaner» hätten die schwache russische Abteilung aber im Tannenwald umzingelt und zum grössten Teil niedergemacht. Markow sei gleich zu Beginn des Kampfes schwer verwundet worden und wie der Kommandant der Grenadiere, Major Baumgarten, in Gefangenschaft geraten.[54] Nach einer knappen Stunde hatten die Franzosen den Wald und das feindliche Lager besetzt.
Schon als der erste Kanonenschuss ertönte, fuhr der Brückentrain unter Hauptmann Jonathan Zabern aus seinem Versteck ans Ufer. Beim Bau der Schwimmbrücke wurde Zaberns Pontonierkompanie 4/I durch die 1. Helvetische Legion (Berufstruppe der Helvetischen Republik) unterstützt.[55]Sapeure schlugen einen Fahrweg durch das Wäldchen am anderen Ufer. Massena wohnte den Arbeiten bei.
Der Brückenschlag dauerte von fünf bis halb acht Uhr morgens. Als er abgeschlossen war, hatten schon 8000 Mann auf Booten die Limmat passiert. Die restliche Infanterie, die leichte Artillerie und die Kavallerie konnten dies nun auf der Brücke tun. Es war noch nicht neun, als sich ausser zwei Bataillonen, die nach Oetwil detachiert worden waren, alle zum Übersetzen bestimmten Truppen auf dem Plateau über dem Kloster Fahr versammelt hatten.[56]
Noch auf der Brücke soll Massena Dedon die Beförderung zum Brigadegeneral versprochen haben, die aber erst sechs Jahre später erfolgte.[57]
Als Korsakow den Kanonendonner aus Richtung Dietikon vernahm, schickte er Markow das in Wipkingen stationierte Dragonerregiment Schepelew zu Hilfe. Wie erwähnt, verfügte er sonst ausser einem Bataillon des Grenadierregiments von Generalmajor Sacken über keine Reserven mehr. Zu spät wurden auf Sackens Drängen dessen sechs übrigen Bataillone zurückgerufen, die sich auf dem Weg von Seebach nach Uznach befanden. Sacken selbst, der ihnen noch nicht gefolgt war, eilte dem Feind entgegen und erfuhr unterwegs von Kosaken, dass die Franzosen schon bei Kloster Fahr standen.[58]
Am rechten Ufer der Limmat wurde das Feuer um acht Uhr eingestellt, denn nach der Einnahme des russischen Lagers bei Weiningen stiessen die Franzosen auf keinen Widerstand mehr. Um zehn Uhr setzten sie sich an beiden Ufern gegen Zürich in Bewegung – rechts des Flusses unter GeneralstabschefOudinot, links des Flusses unter Massena –, worauf eine allgemeine Kanonade einsetzte. Höngg wurde eingenommen und der Feind bis in die Vororte der Stadt zurückgetrieben. Die Franzosen bemächtigten sich der Anhöhen zwischen Limmat- und Glatttal, Vorposten stiessen auf der Rückseite des Zürichbergs bis nach Schwamendingen und der Strasse nach Winterthur vor.
Um den rechten Flügel der Russen ganz abzuschneiden, liess Massena die Brigade Bontemps gegen Dällikon und Regensdorf vorgehen. Zur Deckung ihrer Flanke detachierte er zwei Bataillone von Quétard nach Würenlos, während der Rest dieser Brigade zur Deckung der Brücke zurückblieb. Die übrige Division Lorge drang gegen Zürich vor.[59]
Die Zweite Schlacht bei Zürich[60] hatte begonnen, bei der gemäss Bodart Massena 4000 Mann von 33'500, Korsakow 8000 Mann von 23'000 einbüsste. Gleichzeitig besiegten die Franzosen die Österreicher und Russen bei Schänis; dort soll Soult 600 Mann von 11'500 verloren haben, Hotze aber, der selber den Tod fand, 5000 Mann von 10'000.[61]
Ablenkungsmanöver
[Anhand von Dedon (1801), S. 89–92, Miliutin (1857), S. 66–76 inkl. Anm. 69–77 und Hennequin (1911), S. 264–272 fertigzustellen.]
Am Ablenkungsmanöver bei Brugg beteiligt waren unter Leitung von Hauptmann Savary von der Arbeiterkompanie Teile der Pontonierkompanien 8/I und 8/II sowie die Schiffleutekompanie (Parisot).[62]
Ménard liess die feindlichen Batterien zwischen Baden und der Aaremündung beschiessen und bei Vogelsang die erwähnte Gierseilfähre einrichten. Die Russen verharrten in Erwartung eines Angriffs in der Ebene zwischen Freudenau und Würenlingen sowie in den Lagern bei Wettingen und Würenlos. Ausserdem beschäftigte eine Kanonade bei Waldshut den österreichischen FeldmarschallleutnantNauendorf, der Korsakow hätte Hilfe bringen können.[63]
Während Markow auf verlorenem Posten kämpfte, war dessen Vorgesetzter Durasow von Ménards Ablenkungsmanöver vollkommen absorbiert. In der Nacht meldete man ihm feindliche Truppenbewegungen bei Vogelsang, wo die Franzosen gemäss Miliutin sechs Batterien errichtet hatten. Darauf eilte er nach Untersiggenthal und sammelte dort ein Bataillon und drei Kompanien. Um fünf Uhr setzte aber ein solches Trommelfeuer ein, dass die Batterien der Russen[64] bald ausgeschaltet und ihre Posten vom Ufer vertrieben waren. Nun begann Ménard laut Miliutin «einen wirklichen Angriff täuschend nachahmend», seine Truppen an den Übergangspunkt heranzuführen. Durasow habe darauf fast die ganzen Truppen Puschtschins von Baden bis an die Aaremündung an sich gezogen. Er habe sich sogar gewundert, dass Markow ihm nicht zu Hilfe eilte und nichts von ich hören liess.[65]
Am folgenden Morgen überquerte Ménard mit der erwähnten Fähre die Limmat und bei Klingnau mit Booten die Aare.[66]
Mortier unterstützte die Landeoperation bei Dietikon durch einen Angriff auf Wollishofen, womit er Dedon zufolge sechs feindliche Bataillone über die Limmat lockte. Andererseits vertrieb er, zusammen mit einem Bataillon der Grenadierreserve unter Brigadegeneral Humbert, die Russen vom Albis und zwang sie zum Rückzug nach Zürich.
Den Linthübergang bei Bilten hatte die Pontonierkompanie 1/II (Chapelle) mit Hilfe von Infanteristen und einheimischen Schiffleuten bewerkstelligt, die Landung bei Schmerikon Leutnant Gauthier geleitet.[67]
Urteile
Der Schweizer MilitärwissenschaftlerJominikritisierte, dass dem geschlagenen Korsakow ermöglicht worden sei, aus Zürich zu fliehen: «Wie glänzend auch die Ergebnisse des Tages [des 26. Augusts] waren, er hätte noch entscheidender sein können, wenn Massena die am 25. errungenen Vorteile ausgenützt und in der Nacht alle seine Kräfte auf das rechte Ufer übergesetzt hätte […]»[68]
Der PreusseClausewitz schrieb: «Über die vortrefflichen Voranstalten[,] welche die Franzosen zum Übergang [bei Dietikon] trafen[,] ist nur eine Stimme und ebenso über die zweckmäßigen Maaßregeln bei der Ausführung.» Die Zweite Schlacht bei Zürich hingegen kommentierte der Autor des Werks Vom Kriege[69] wie folgt: «[…] es hat wohl noch nie wie hier dem eigensinnigen Schicksal gefallen[,] der Unklarheit des einen Feldherrn [Massena] durch die Kurzsichtigkeit des andern [Korsakow] eine so reiche Siegesfülle zuzuwenden!»[70]
Benützte Literatur
Dedon (1801), Miliutin (1857) und Hennequin (1911) werden in den Fussnoten abgekürzt.
David Hess: Die Tage des Schreckens. In: Jakob Baechtold (Hrsg.): Joh. Caspar Schweizer. Ein Charakterbild aus dem Zeitalter der französischen Revolution. Wilhelm Hertz, Berlin 1884, S. XLIV–LXIII, hier S. XLV f., XLVIII, LVIII f. (Textarchiv – Internet Archive).
Hermann Hüffer (Hrsg.): Quellen zur Geschichte der Kriege von 1799 und 1800. Aus den Sammlungen des k. und k. Kriegsarchivs, des Haus-, Hof- und Staatsarchivs und des Archivs des Erzherzogs Albrecht in Wien. 1. Band, B. G. Teubner, Leipzig 1900, S. 117, 119 f., 362, 371–373, 376 (archive.org).
↑Gaston Bodart (Hrsg.): Militär-historisches Kriegs-Lexikon (1618–1905). C. W. Stern, Wien/Leipzig 1908, S. 335 f. (Textarchiv – Internet Archive). Verluste meint «blutige» (Gefallene und Verwundete) und «unblutige» (Gefangene, Vermisste, Deserteure).
↑Gaston Bodart (Hrsg.): Militär-historisches Kriegs-Lexikon (1618–1905). C. W. Stern, Wien/Leipzig 1908, S. 340 f. (Textarchiv – Internet Archive).
↑David Hess: Die Tage des Schreckens. In: Jakob Baechtold (Hrsg.): Joh. Caspar Schweizer. Ein Charakterbild aus dem Zeitalter der französischen Revolution. Wilhelm Hertz, Berlin 1884, S. XLIV–LXIII, hier S. XLVIII, LVIII f. (Textarchiv – Internet Archive).
↑Gaston Bodart (Hrsg.): Militär-historisches Kriegs-Lexikon (1618–1905). C. W. Stern, Wien/Leipzig 1908, S. 343 (Textarchiv – Internet Archive). Da Suworow der Ausbruch aus dem UrnerReusstal wie dem Glarner Linthtal misslang, musste er sich unter schweren Verlusten nach Österreich zurückziehen. Dies und das Scheitern der anglo-russischen Intervention in der Batavischen Republik führte zum Austritt Kaiser Pauls I. aus der Koalition.
↑Hennequin (1911), S. XIII: «Ce livre ne donne point seulement un récit détaillé de la part prise par les Russes à la campagne de 1799, mais renferme aussi, soit dans le texte, soit dans les annexes, la reproduction partielle ou intégrale des pièces originales sur lesquelles il est étayé.»
↑Arthur Chuquet in: Feuilles d’histoire du XVIIe au XXe siècle (Paris). 4. Jahrgang, 7. Band, 1. Semester 1912, S. 379: «étude claire et complète à la fois, nettement divisée, pleine de faits et de jugements, aussi consciencieuse et solide qu’elle peut être composée d’après tous les documents imprimés, notamment d’après les monographies suisses (qui sont si copieusement documentées) et d’après de nouvelles pièces d’archive».