Netzwerk Berlin
Das Netzwerk Berlin ist ein Zusammenschluss sich als „progressiv“ bezeichnender SPD-Bundestagsabgeordneter, die als Netzwerker bezeichnet werden. Neben der Parlamentarischen Linken und dem – im sozialdemokratischen Spektrum – rechten und konservativen Seeheimer Kreis ist es die dritte Strömung innerhalb der Bundestagsfraktion. Es wird parteiintern den Reformern zugerechnet. Das Netzwerk wurde 1999 von zehn SPD-Abgeordneten im Alter von 23 bis 43 Jahren gegründet. Die Initiative ging von Hans-Peter Bartels, Kurt Bodewig und Hubertus Heil sowie von Jürgen Neumeyer, dem ersten Netzwerk-Geschäftsführer, aus.[1] Das Netzwerk Berlin gilt bis heute als Zusammenschluss einer eher jüngeren Abgeordneten-Generation, obwohl bereits seit 2002 die Mitgliedschaft nicht mehr an ein bestimmtes Alter geknüpft ist. In der 18. Legislaturperiode hatte sich das Netzwerk Berlin, auch bedingt durch die damals noch deutlich größere Fraktion, verstärkt und band – nach eigener Darstellung – knapp ein Viertel der Bundestagsfraktion. Prominente Vertreter des Netzwerk Berlin sind unter anderen der ehemalige Parteivorsitzende Sigmar Gabriel und der stellvertretende Parteivorsitzende und Minister für Arbeit und Soziales Hubertus Heil. Auch im stellvertretenden Fraktionsvorstand der 19. Legislaturperiode waren viele Netzwerker vertreten: Katja Mast (Arbeit und Soziales, Frauen, Senioren, Familie und Jugend), Eva Högl (Inneres und Recht, Verbraucherschutz, Kultur und Medien) und Sören Bartol (Verkehr, Bau und Digitale Infrastruktur). Der heutige Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung Ulrich Kelber war als Bundestagsabgeordneter Mitglied des Netzwerks ebenso wie Christian Lange, von 2013 bis 2021 Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministern der Justiz und für Verbraucherschutz. Rita Schwarzelühr-Sutter ist seit 2013 ebenfalls Parlamentarische Staatssekretärin, Michelle Müntefering war von 2018 bis 2021 Staatsministerin für auswärtige Kultur im Auswärtigen Amt. Die stellvertretende Bundestagspräsidentin Aydan Özoğuz ist ebenfalls Netzwerkerin. Das Sprecherteam besteht aus Dorothee Martin, Markus Töns und Armand Zorn.[2] Geschichte1992 waren nur acht der SPD-Bundestagsabgeordneten unter 40 Jahre alt. Sie organisierten sich damals erstmals als so genannte Youngster innerhalb der Fraktion. Erster Youngster-Sprecher war der spätere Staatsminister und Netzwerker Hans Martin Bury. 1998 waren es bereits 36 junge SPD-Abgeordnete, die ins Parlament gewählt wurden, die die Gruppe bildeten. Außer ihrem Alter hatten die Youngster keine politisch-inhaltlichen Gemeinsamkeiten, die über das in der SPD-Fraktion Übliche hinausgingen. Daraus entstand die Idee, ein Netzwerk als Generationenzusammenhang zu gründen, das ein gemeinsames inhaltliches Projekt verfolgt und innerhalb der SPD-Fraktion eine politische Rolle spielt. Die Gründung hatte zwei Ursachen:[3]
Dabei kann ein Teil des Netzwerks an gewachsene Traditionen der undogmatisch-reformsozialistischen Strömung der Jusos anknüpfen, insbesondere Kurt Bodewig, Peter Friedrich, Kerstin Griese, Hubertus Heil, Eva Högl, Christian Lange, Michael Roth und Ute Vogt, die in den 1980er und 1990er Jahren dem Juso-Bundesvorstand angehörten beziehungsweise an der Spitze eines Bezirks oder Landesverbandes standen. Mitglieder und AktiveNach der Bundestagswahl 2002 hat das Netzwerk sein Konzept als Generationszusammenhang teilweise aufgegeben. Seitdem können auch ältere SPD-Abgeordnete Mitglied werden. 2002 hat es sich mit einem damals sechsköpfigen Sprecherkreis, der inzwischen in Vorstand umbenannt wurde, erstmals eine gewählte Vertretung gegeben. Im Netzwerk Berlin sind Doppelmitgliedschaften möglich. Eine Reihe von Netzwerkern, die nicht dem Vorstand angehören, sind gleichzeitig Mitglied einer der beiden traditionellen Flügel-Zusammenschlüsse der Fraktion. In der 20. Wahlperiode gehören ca. 50 SPD-Abgeordnete dem Netzwerk Berlin an.[4] Über die Abgeordneten hinaus, die sich als Einlader bezeichnen, ist das Netzwerk Berlin eine offene Plattform. Zu den Aktiven gehören insbesondere Mitarbeiter der sozialdemokratischen Abgeordnetenbüros im Bundestag, aber auch Mitarbeiter aus Ministerien und anderen politisch-administrativen Einrichtungen in Berlin. Darüber hinaus hat das Netzwerk den Anspruch, Interessierte aus den Bereichen Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur und Medien mit einzubeziehen. Gleichzeitig gibt es Verankerungen in den SPD-Landesverbänden. AktivitätenIn Bundestags-Sitzungswochen findet ein offenes Netzwerk-Treffen im Reichstagsgebäude statt, auf denen mit Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien oder Kultur diskutiert wird. Dabei erhebt das Netzwerk den Anspruch, „über die Tagespolitik hinaus“ zu denken. Das anschließende gemütliche Beisammensitzen gehört mit zum Konzept der Netzwerk-Bildung. Darüber hinaus werden zumeist in Zusammenarbeit mit der Friedrich-Ebert- oder der Hans-Böckler-Stiftung unregelmäßig Kongresse, Konferenzen, Seminare und Tagungen veranstaltet, die teilweise außerhalb der Bundeshauptstadt stattfinden. Von 1999 bis 2017 gaben die Netzwerk-Abgeordneten das Zwei-Monats-Magazin Berliner Republik heraus. Aktuell erfolgen keine Veröffentlichungen mehr (Stand: September 2019).[5] Der ehemalige Zeit-Redakteur Tobias Dürr war seit 2001 Chefredakteur, zuvor hatte der Netzwerker Hans-Peter Bartels die Schriftleitung inne. Vorsitzende des Berliner Republik e. V. war Kirsten Lühmann, ihre Stellvertreter waren Martin Rabanus und Thomas Hitschler. PositionenZentrales Thema des Netzwerks war die Diskussion um ein neues Grundsatzprogramm der SPD, zu der 2003 ein eigener Impuls mit dem Titel Die neue SPD veröffentlicht wurde. „Wir Sozialdemokraten setzen auf die Fähigkeit und die Bereitschaft zu Freiheit und Verantwortung. Wir wollen mit allen engagierten Menschen in unserem Land und überall auf der Welt zusammenarbeiten, um eine bessere Welt zu schaffen“, heißt es in dem Impuls. „Diese Idee eines anderen und besseren Zusammenlebens hat in der Geschichte der Sozialdemokratie den Namen demokratischer Sozialismus geführt. Auch wenn dieser Begriff nun seine abgrenzende Bedeutung und politische Strahlkraft verliert, bleibt das, wofür er immer gestanden hat, für die Sozialdemokratie eine unbedingte Verpflichtung.“ Trotz ihrer Beiträge zur Programmdebatte und der Diskussionen in ihrem „Theorieorgan“ Berliner Republik gelten die Netzwerker „als jung, unideologisch, pragmatisch und brav“ (taz) und als weitgehend angepasste Unterstützer der durch Gerhard Schröders Agenda 2010 umrissenen Reformpolitik. Die FAZ meint dazu: „Eine Gruppierung, die sich als zentristisch versteht und die Schröders Reformpolitik unterstützen wollte, hat es schwer, ein kantiges Profil zu gewinnen. Auch haben sich die Netzwerker – anders als die Seeheimer – nie als ,Abstimmungsmaschine‘ verstanden, sondern eher als erfrischendes kulturelles Ereignis in einer Volkspartei, die alte Ideologie aus dem vergangenen Jahrhundert mit sich herumschleppt.“ Im Vorfeld der Bundestagswahl 2013 hat das Netzwerk Berlin Denkanstöße für das SPD-Wahlprogramm erarbeitet: „Unsere Vorschläge für gutes Regieren“. Gemeinsam mit Gästen und Betroffenen von außen haben die Abgeordneten in dieser Programmdebatte vier Themen aufgegriffen: „Demokratie leben“, „Vorsorgender Sozialstaat 2.0“, „Arbeit und Leben 2020“ und „Deutschlands Rolle in der Welt“. Die Ergebnisse dieser Ideenschmiede wurden in einer Broschüre zusammengefasst.[6] Veröffentlichungen
Literatur
WeblinksEinzelnachweise
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