Im Mittelalter gehörten die umliegenden Wälder zum Wildbann Dreieich, der 30 Wildhuben hatte, eine davon war in Nieder-Roden. Die älteste erhaltene Erwähnung einer Rotaha Marca, also eine Gemarkung oder eine Markgenossenschaft Roden, stammt aus dem Jahr 786, als das Kloster Rotaha dem Kloster Lorsch geschenkt wurde.[4] Wo genau das Kloster Rotaha lag, ist bis heute nicht bekannt. 791 wurde Nieder-Roden als Rotaha inferior ausdrücklich in einer Urkunde erwähnt.[5] Damals schenkte der fränkische Adlige Erlulf seinen dortigen Besitz, den in Ober-Roden (rotahen superiore) und den in Bieber dem Kloster Lorsch. 1210/1220 schenkte Gerlind dem Kloster Patershausen zwei Malter Acker in Nieder-Roden.
Zehntherr in Nieder-Roden war der Erzbischof von Mainz, der diese Einnahmequelle zeitweise als Lehen vergab. 1567 hatten die Herren von Wallbrunn und Johann Oiger Brendel von Homburg, ein Verwandter des damals regierenden Mainzer Kur-Erzbischofs, Daniel Brendel von Homburg, je die Hälfte des Zehnten zu Lehen inne. Auch die Herren von Wasen hatten in Nieder-Roden Besitz.
Im Zuge der Säkularisation kam das Amt Steinheim 1803 an die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt, das spätere Großherzogtum Hessen. Die Pforten der Befestigung wurden 1812 niedergelegt. Bei der Aufteilung der Rödermark 1818 erhielt der Ort, wie die übrigen der Mark angehörenden Dörfer, einen Anteil am Wald. In Hessen gehörte Nieder-Roden zu folgenden Verwaltungseinheiten:[1]
Aus dem Ort entwickelten sich durch die Suburbanisierung in den 1960er und 1970er Jahren verschiedene Neubaugebiete. Das markanteste Gebäude ist der weithin sichtbare 300 Meter lange vielgeschossige Gebäuderiegel entlang der Frankfurter Straße, der von den Einwohnern respektvoll-ironisch als Chinamauer bezeichnet wird. Eine ursprünglich geplante Erweiterung des Komplexes auf über 700 Meter Länge einschließlich einer Überbauung der Wiesbadener Straße kam nicht zur Ausführung, da der Bauunternehmer in Konkurs ging.[11]
Der Name Rotaha Marca/Mark Roden könnte „Siedlung auf einer gerodeten Aue“ bedeuten, ebenso aber auch darauf Bezug nehmen, dass die den Ort durchfließende Rodau, die bei Urberach im Rotliegenden entspringt, sich früher bei Hochwasser rot färbte. In erhaltenen Urkunden wurde Nieder-Roden unter den folgenden Namen erwähnt (in Klammern das Jahr der Erwähnung):[1]
Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: Die Bevölkerung der Gemeinden 1834 bis 1967. Wiesbaden: Hessisches Statistisches Landesamt, 1968. Weitere Quellen: [1][16]
Wappen
Das Wappen wurde am 7. April 1949 durch das Hessische Ministerium des Innern verliehen.
Blasonierung: „In Schwarz ein silberner Kirchturm, beseitet rechts von dem Eppsteinschen Schild: drei rote Sparren in Silber, links von dem Mainzer Schild: einem silbernen Rad in Rot.“[17]
Wappenbegründung: Ein im Gemeindebesitz befindlicher Stempel des frühen 19. Jahrhunderts, vermutlich ein Nachschnitt einer älteren Vorlage, mit der Umschrift: SIEGEL DER BÜRGERMEISTEREY NIEDER RODEN zeigt im Siegelfeld den Heiligen Matthias, einen Palmzweig in der Rechten und ein Beil in der Linken. Das dem Ort 1949 amtlich verliehene Wappen nimmt die Attribute des Ortsheiligen nicht auf, bringt dagegen durch die beiden Beischilde zum Ausdruck, dass der Ort aus eppsteinschem in Mainzer Besitz überging, was 1425 geschah. Dazwischen steht der kunsthistorisch interessante Turm der Ortskirche St. Matthias in der nötigen heraldischen Stilisierung.
Die Gestaltung des Wappens lag in den Händen des Heraldikers Georg Massoth.
Kultur und Sehenswürdigkeiten
Bauwerke
Die katholische Kirche St. Matthias ist ein dominierendes Gebäude im alten Ortskern. Ihr Turm ist das älteste Bauwerk Rodgaus.
Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen (um 1622–1676), Schriftsteller, nahm von 1634 bis 1636 zeitweise Quartier in Nieder-Roden während des Dreißigjährigen Krieges und der Belagerung Hanaus
R.P.S. Lanrue (1950–2024), Komponist und Leadgitarrist der deutschen Band Ton Steine Scherben wohnte in den 1960er Jahren in Nieder-Roden. Zu dieser Zeit absolvierte er u. a. eine Dekorateur-Lehre und spielte zusammen mit Rio Reiser u. a. bei den Beatkinks. Nach dem Umzug nach Berlin gründeten sie Ton Steine Scherben.
Nicole Brown Simpson (1959–1994), lebte als Kind in Nieder-Roden-Rollwald. Nach ihrer Ermordung 1994 wurde O. J. Simpson wegen Mordes an ihr angeklagt
Steffen Wink (* 1967), deutscher Schauspieler lebte von 1969 bis 1993 in Rodgau-Nieder-Roden
Gerhard Zwerenz (1925–2015), deutscher Schriftsteller, wohnte Anfang der 1970er Jahre in Nieder-Roden
Walter Picard (1923–2000), deutscher Pädagoge und CDU-Politiker, arbeitete ab 1949 als Volksschullehrer in Nieder-Roden und hatte die dortige Rektorenstelle von 1965 bis 1988 inne
Literatur
Arbeitskreis für Heimatkunde Nieder-Roden: Nieder-Röder Gedenkbuch, Gefallene und Vermißte 1554–1946. Nieder-Roden 2005.
Barbara Demandt: Die mittelalterliche Kirchenorganisation in Hessen südlich des Mains = Schriften des Hessischen Landesamtes für geschichtliche Landeskunde 29, S. 138f.
Max Herchenröder: Die Kunstdenkmäler des Landkreises Dieburg. 1940, S. 263ff.
Wilhelm Müller: Hessisches Ortsnamenbuch. Band 1: Starkenburg. 1937, S. 514ff.
Karl Pohl: Hier!? lag das karolingische Kloster Rotaha. Nieder-Roden 2008, ISBN 978-3-638-94679-7.
Karl Pohl: Das Ende des karolingischen Klosters Rotaha. Nieder-Roden 2008, ISBN 978-3-640-21187-6.
Karl Pohl: Die Flurnamen in der Gemarkung Nieder-Roden. Hrsg.: Arbeitskreis für Heimatkunde Nieder-Roden e. V., 2009.
Karl Pohl: Nieder-Roden im Jahr 1622 (30-jähriger Krieg). Nieder-Roden 2009, ISBN 978-3-640-47656-5.
Karl Pohl: Vom Vogtshof zum Landgericht Nieder-Roden – Der „Niwenhof“ beim ehemaligen karolingischen Kloster Rotaha. Nieder-Roden 2010, ISBN 978-3-640-68562-2
Karl Pohl: Die Äbtissinnen Aba und Hiltisnot und ihr karolingisches Rotaha. Nieder-Roden 2011, ISBN 978-3-640-83469-3
Karl Pohl: Das karolingische Kloster Rotaha im Lichte der Flurnamen Nieder-Rodens, 2012, ISBN 978-3-656-28157-3
Gisela Rathert u. a.: Nieder-Roden – 786–1986. Nieder-Roden 1986.
Hans Georg Ruppel (Bearb.): Historisches Ortsverzeichnis für das Gebiet des ehem. Großherzogtums und Volksstaats Hessen mit Nachweis der Kreis- und Gerichtszugehörigkeit von 1820 bis zu den Veränderungen im Zuge der kommunalen Gebietsreform = Darmstädter Archivschriften 2. 1976, S. 156.
Regina Schäfer, Die Herren von Eppstein. Herrschaftsausübung, Verwaltung und Besitz eines Hochadelsgeschlechts im Spätmittelalter = Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau 68. Wiesbaden 2000, S. 69, 367, 374f.
Helmut Simon: Chronik der Pfarrgemeinde St. Matthias Nieder-Roden. Nieder Roden 1996.
Helmut Simon: Die kranke Kuh und andere Geschichten aus den früheren Zeiten Nieder-Rodens, Nieder-Roden 2009.
Philipp Rupp: Geschichten aus Alt-Nieder-Roden. Nieder-Roden 1985.
Dagmar Söder: Kulturdenkmäler in Hessen, Kreis Offenbach. Braunschweig/Wiesbaden 1987, S. 263–267.
↑Richard Wille: Hanau im Dreißigjährigen Krieg. Hanau 1886, S. 91, 593f.
↑
Die Eintheilung des Landes in Landraths- und Landgerichtsbezirke betreffend vom 14. Juli 1821. In: Großherzoglich Hessisches Ministerium des Inneren und der Justiz. (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1821 Nr.33, S.403ff. (Online bei der Bayerischen Staatsbibliothek).
↑Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27. Mai 1970 bis 31. Dezember 1982. W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart und Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S.375.