Scherer ist der Nachname einer deutschen Orgelbauerfamilie des 16. und frühen 17. Jahrhunderts. Die Familie hatte ihren Sitz in Hamburg. Sie zählte zu den bedeutendsten Orgelbauern ihrer Zeit und führte den norddeutschen Orgelbau zu einer Blüte. Scherer-Orgel bezeichnet eine Orgel, die von einem dieser Orgelbauer gebaut wurde.
Aus drei Generationen stammen folgende Vertreter:
- Jacob (Jakob) Scherer (* nach 1497; † nach 1574 in Hamburg), Vater von:
- Hans (Johannes) Scherer der Ältere (um 1535 in Hamburg; † 1611 in Hamburg), Vater von:
- Hans (Johannes) Scherer der Jüngere (getauft am 14. Oktober 1575 in Hamburg; † 1631), Bruder von:
- Fritz Scherer
Jacob Scherer
Jacob Scherer übernahm 1537 von Jakob Iversand, dessen Schüler er vermutlich war, die Orgelwerkstatt. 1569 übergab er seine Werkstatt seinem Schwiegersohn Dir(i)ck Hoyer († nach 1582), der ihm ab etwa 1556 zur Hand gegangen war. Hoyer hatte 1567 eine Tochter Jacob Scherers geheiratet. Scherer scheint wohlhabend gewesen zu sein und erwarb einige Grundstücke.
In der fünften Spalte bezeichnet die römische Zahl die Anzahl der Manuale, ein großes „P“ ein selbstständiges Pedal, ein kleines „p“ ein nur angehängtes Pedal. Die arabische Zahl gibt die Anzahl der klingenden Register an. Die letzte Spalte bietet Angaben zum Erhaltungszustand oder zu Besonderheiten. Kursivschreibung gibt an, dass die Orgel nicht oder nur noch das historische Gehäuse erhalten ist.
Hans Scherer der Ältere
Hans Scherer der Ältere war der bekannteste Vertreter der Orgelbauerfamilie. Er war Schüler des brabantischen Orgelbauers Hendrik Niehoff und vermittelte dessen Errungenschaften in den deutschen Orgelbau. Ab den frühen 1550er Jahren ist er als Gehilfe seines Vaters nachgewiesen (Reparaturen in Hamburg/Jacobi und Lüneburg/Michaelis). Im Jahr 1571 eröffnete er in Bernau bei Berlin eine eigene Orgelwerkstatt. Eine Tochter Anna wurde am 26. September 1568 getauft, ein Sohn Johannes am 28. Februar 1570 (der anscheinend früh starb), ein Sohn Adam am 9. Januar 1572 und ein weiterer Sohn Johannes (Hans Scherer der Jüngere) am 14. Oktober 1575. Seine Frau wurde am 14. Juli 1583 in Brandenburg an der Havel bestattet und Scherer heiratete zu einem unbekannten Zeitpunkt nochmals.[3] Spätestens 1587 kehrte er nach Hamburg zurück.[4] Bedeutende Schüler Scherers waren Johann Lange, Lehrmeister von Gottfried Fritzsche, und Antonius Wilde, die beide eigene Werkstätten errichteten. Ein Mitarbeiter Scherers war der Orgelbauer Hans Bockelmann († 1602), der auch schon bei Jacob Scherer gearbeitet hatte. Ab 1603 scheint Scherer die Arbeit zunehmend seinen Söhnen Hans und Fritz überlassen zu haben.
Hans Scherer der Jüngere
Hans Scherer der Jüngere setzte die erfolgreiche Tradition seines Vaters fort. Er erwarb am 23. Mai 1606 das Hamburger Bürgerrecht und heiratete im selben Jahr Agneta Steer. 1607 wurde die Tochter Magdalena geboren. Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete Scherer am 5. Mai 1614 Elisabeth Timme. Aus dieser Ehe gingen Elisabet, Hieronymus, eine weitere Elisabet und Sara hervor. Scherer entwickelte das Konzept der selbstständigen Pedaltürme weiter, was zum Hamburger Prospekt führte. Gottfried Fritzsche wurde sein Nachfolger und wichtiges Bindeglied zum Orgelbauer Arp Schnitger.
Fritz Scherer
Fritz Scherer arbeitete an mehreren Orgelbauten zusammen mit seinem Bruder.
Literatur
- Douglas E. Bush, Richard Kassel (Hrsg.): The Organ. An Encyclopedia. Routledge, New York, London 2006, ISBN 0-415-94174-1, S. 493–494 (teils online).
- Gustav Fock: Arp Schnitger und seine Schule. Ein Beitrag zur Geschichte des Orgelbaues im Nord- und Ostseeküstengebiet. Bärenreiter, Kassel 1974, ISBN 3-7618-0261-7.
- Gustav Fock: Scherer (Familie). In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. 1. Auflage. Band 11. Bärenreiter, Kassel 1963, S. 1674–1676 (CD-Rom-Version, Directmedia, Berlin 2001 (Digitale Bibliothek, Band 60)).
- Gustav Fock: Hamburgs Anteil am Orgelbau im niederdeutschen Kulturgebiet. In: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte. Nr. 38, 1939, S. 289–373 (307–342) (uni-hamburg.de – vgl. die engl., überarb. Fassung Hamburg’s Role, 1995).
- Gisela Jaacks: Scherer, Hans d. Ä. In: Franklin Kopitzsch, Dirk Brietzke (Hrsg.): Hamburgische Biografie. Band 2. Christians, Hamburg 2003, ISBN 3-7672-1366-4, S. 370–370. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
- H. Kellinghusen: Die Hamburgischen Orgelbauer Hans Scherer, Vater und Sohn. In: Mitteilungen des Vereins für Hamburgische Geschichte. Band 11, Nr. 31, 1912, S. 72 ff.
- Christine Lehmann: Neues zu Scherer in der Mark Brandenburg. In: Ars Organi. Band 72, 2024, S. 113–115.
- Dietrich Kollmannsperger, Gerhard Aumüller: Die Scherer-Orgel in der Kasseler Brüderkirche, das erste Dienstinstrument des „Zweiten Hoforganisten“ Heinrich Schütz (1585–1672) – Versuch einer Rekonstruktion. In: Ars Organi. 72, 2024, S. 74–82.
- Christoph Lehmann (Hrsg.): 375 Jahre Scherer-Orgel Tangermünde. Die größte Renaissance-Orgel der Welt. 2. Auflage. Freimut & Selbst, Berlin 2014, ISBN 978-3-8442-8336-5, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
- Ibo Ortgies: Die Praxis der Orgelstimmung in Norddeutschland im 17. und 18. Jahrhundert und ihr Verhältnis zur zeitgenössischen Musikpraxis. Göteborgs universitet, Göteborg 2004 (gbv.de [PDF; 5,4 MB] rev. 2007).
- Paul Rubardt: Einige Nachrichten über die Orgelbauerfamilie Scherer. In: Musik und Kirche. Band 2, 1930, S. 111–126.
- Eckhard Trinkaus: Zur Tätigkeit der Orgelbauer Scherer in Hessen. In: Ars Organi. Band 47, 1999, S. 215–217.
- Maarten A. Vente: Die Brabanter Orgel. Zur Geschichte der Orgelkunst in Belgien und Holland im Zeitalter der Gotik und der Renaissance. H. J. Paris, Amsterdam 1963.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Lehmann: Neues zu Scherer in der Mark Brandenburg. S. 113 f.
- ↑ Hans Klotz: Über die Orgelkunst der Gotik, der Renaissance und des Barock. Musik, Disposition, Mixturen, Mensuren, Registrierung, Gebrauch der Klaviere. 3. Auflage. Bärenreiter, Kassel 1986, ISBN 3-7618-0775-9, S. 228.
- ↑ Lehmann: Neues zu Scherer in der Mark Brandenburg. S. 114 f.
- ↑ Gisela Jaacks: Scherer, Hans d. Ä. In: Franklin Kopitzsch, Dirk Brietzke (Hrsg.): Hamburgische Biografie. Band 2. Christians, Hamburg 2003, ISBN 3-7672-1366-4, S. 370–370. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
- ↑ Siehe die beiden Beiträge zur Rekonstruktion des Scherer-Prospektes und zur Geschichte der Orgel in: Thomas Drachenberg (Hrsg.): Die Stadt in der Kirche. Die Marienkirche in Bernau und ihre Ausstattung (= Arbeitshefte des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologischen Landsmuseums. Bd. 40). Lukas Verlag, Berlin 2017, ISBN 978-3-86732-260-7, S. 196–243.
- ↑ Orgel in Lenzen, abgerufen am 7. Januar 2013.