Die Sterne, die in Mitteleuropa niemals untergehen bzw. immer am Himmel stehen, sieht man fast alle in dessen Nordhälfte. Falls nicht, stehen sie sehr hoch in der Südhälfte und sind maximal 10° vom Zenit entfernt, bzw. mindestens 80° über dem Horizont in südlicher Richtung, z. B. Capella im Sternbild Fuhrmann oder Alkaid, der äußere Deichselstern des Großen Wagens (gilt für Beobachter bei 50° nördliche Breite).
Weil die Drehachse der Erde und damit auch die „Drehachse der Sterne“ fast genau auf den Polarstern zeigt, „kreisen“ die Sterne des Nordhimmels scheinbar um den Polarstern, der bei 50° nördliche Breite um diesen Winkel oberhalb des Horizonts im Norden steht. Alle Sterne stehen dann am niedrigsten, wenn sie genau im Norden unter dem Polarstern stehen und sie stehen dann am höchsten, wenn sie 12 Stunden später genau gegenüber sind. Wegen der gegenüber dem Zenit um 40° in Richtung Norden geneigten Drehachse (90° – 50°) stehen sie um 40° (bzw. in Klagenfurt um 43,4°, in Flensburg um nur 35°) höher über dem südlichen Horizont als ihre Deklination. So sind im Süden für einige Nachtstunden auch Sterne des Südhimmels (mit negativer Deklination) zu sehen, wie untere Beispielrechnung des Sirius zeigt. Sterne, die immer sichtbar sind, müssen jedoch eine Deklination von mehr als +40° haben, sie ziehen während der Nacht einen Halbkreis um den Polarstern, der einen Radius von max. 50° hat, damit sie im Norden nicht untergehen, diese Sterne nennt man auch zirkumpolar. Sterne, deren Entfernung zum Polarstern weniger als 40° beträgt (Deklination min. +50°), können niemals in der Südhälfte des Himmels stehen und alle Sterne, die im Süden weniger als 80° über dem Horizont sind, gehen zwangsläufig und spätestens im Norden unter.
Die Rektaszension gibt nun an, um wie viele Stunden dieser Stand vom Mittagsstand der Sonne bei Frühlingsanfang abweicht. Ein Stern mit einer Rektaszension von 0 h und einer Deklination von 0° stünde z. B. am Frühlingsanfang exakt mit der Sonne mittags um 40° (Klagenfurt: 43,4°; Flensburg: 35°) über dem Horizont. Allerdings wäre er genau zu diesem Zeitpunkt für uns unsichtbar, da er von der Sonne überstrahlt würde. Am besten sichtbar wäre er exakt ein halbes Jahr später, bei Herbstanfang, um Mitternacht.
Ein Stern, der wiederum eine Rektaszension von 2 Stunden aufwiese, wäre relativ dazu um 2/24 = 1/12 gedreht. Ein Zwölftel Jahr, also einen Monat, nach Frühlingsanfang stünde er mit der Sonne im Süden und stünde 6 Monate danach, also um den 21. Oktober, um Mitternacht im Süden.
Mitternacht
Die mitteleuropäische Normalzeit (umgangssprachlich häufig Winterzeit) richtet sich nach der tatsächlichen Zeit am 15. östlichen Längengrad, an dem Görlitz im äußersten Osten Deutschlands liegt. Dort ist während der Normalzeit tatsächlich Mittag um 12 und Mitternacht um 0 Uhr, im Sommer während der Sommerzeit entsprechend eine Stunde später. In Aachen, am 6. Längengrad, verschiebt sich diese Uhrzeit um die 36 Minuten nach hinten, da die Sonne dort später im Süden steht. Auch in Bern oder Basel (knapp bzw. gut 7,5°) ist die Sonne erst eine halbe Stunde später als in Görlitz, während sie im Osten Wiens (16,5°) noch einmal 6 Minuten früher gewesen war.
Für den fiktiven Stern mit Rektaszension 0 h und Deklination 0° hieße das, dass er um den Herbstanfang, an dem ja noch die Sommerzeit gilt, um 0:54 Uhr am Wiener und um 1:36 Uhr am Aachener Nachthimmel im Süden stünde, und zwar exakt so hoch wie die Sonne am vorhergehenden und folgenden Mittag.
Beispielrechnung
Sirius, der hellste Stern am irdischen Himmel, hat eine Deklination von rund −17° und eine Rektaszension von 06 h 45 m. Er steht in Mainz (50° N. B.) also maximal 23° über dem Horizont ({90°–50°}−17°) und steht 3 Monate und etwa 11 Tage nach Frühlingsanfang, also Anfang Juli, mit der Sonne im Süden, wodurch er unsichtbar ist. In Mainz wird er deshalb Anfang Januar um Mitternacht, bei 8,3° östlicher Länge ist das bei Normalzeit um 0 Uhr 27, im Süden stehen.
Der Aldebaran, hellster Stern im Stier, hat aufgrund einer Deklination von +16,5° seine Südstellung bei 56,5° und steht aufgrund einer Rektaszension von 04 h 36 m dort mit der Sonne etwa 2 Monate und 9 Tage später, also Anfang Juni. Dass dieses nicht ins Tierkreiszeichen Stier fällt, sondern ins darauffolgende der Zwillinge, liegt an der Präzession der Erdachse (Wanderung des Frühlingspunktes) – seit 1700 bis 3000 Jahren hat sich das Sternbild um rund einen Monat verschoben. Anfang Dezember steht Aldebaran um Mitternacht im Süden.
Liste
In der Liste sind zum Vergleich, grün hinterlegt und ohne Rang, die Sonne, der Mond und die hellsten Planeten mit aufgeführt.
In Mitteleuropa (50° N; entspricht etwa der Mündung des Mains in den Rhein bei Mainz) sind die 28 der hellsten Sterne, deren Deklination unterhalb von –40° liegt, nie sichtbar; deren Zeilen sind abgedunkelt dargestellt. Im äußersten Süden Österreichs (Klagenfurt: 46,6° N) und der deutschsprachigen Schweiz wären dies nur 23, im äußersten Norden Deutschlands (55° N; Flensburg) 31.
Umgekehrt stehen in Mitteleuropa die 20 der hellsten Sterne immer überm Horizont, deren Deklination über +40° liegt; deren Zeilen sind aufgehellt dargestellt. In Klagenfurt würde sich diese Zahl auf 17 verringern, in Flensburg würde sie sich auf 22 erhöhen. Von den nur im Norden nie untergehenden Sternen steht die Wega, der fünfthellste Stern und in Mitteleuropa sogar der dritthellste, bereits ab einer Linie Düsseldorf–Leipzig durchgehend am Sternenhimmel. Da ein sehr großer Anteil der deutschen Bevölkerung (Ruhrgebiet, Berlin, Hamburg) nördlich dieser Linie lebt, wurde sie mit aufgehellt. Sie ist auch weiter südlich zumindest noch in jeder sternklaren Nacht deutlich zu sehen, wenngleich nicht immer die ganze Nacht hindurch.
Zu beachten ist, dass die fünf hier abgedunkelten Sterne, die von Klagenfurt aus theoretisch noch sichtbar sind, dieses dort nur für einen sehr kurzen Zeitraum im Jahr und nur unmittelbar über dem Horizont sind, weshalb sie, eines verlängerten Lichtweges durch die Atmosphäre wegen, deutlich dunkler erscheinen als es der tabellarische Wert besagt.
Legende: … Himmelskörper unseres Sonnensystems zum Vergleich … Stern ist immer* sichtbar, geht nie unter. (Deklination > +40°) … Stern ist manchmal* sichtbar, geht auf und unter. (Deklination zw. +40° und −40°, Ausnahme: Wega) … Stern ist nie* sichtbar, geht nie auf, befindet sich immer unterhalb des Horizonts. (Deklination < −40°)
var … Wert variiert
*
Gilt für Orte auf der Erde, die auf 50° nördlicher Breite liegen
Aufgrund der Eigenbewegung sowohl der Sonne als auch der anderen Sterne innerhalb der Milchstraße verändern sich ihre Entfernungen zueinander und damit auch die scheinbare Helligkeit, von der Erde aus betrachtet, innerhalb langer Zeiträume. So ist Sirius seit etwa 90.000 Jahren der von der Erde aus (abgesehen von der Sonne) hellste Stern am Himmel. Zuvor hatte mehrfach Canopus diesen Rang inne, während in rund 210.000 Jahren Wega Sirius als hellsten Stern ablösen wird. In den letzten fünf Millionen Jahren gab es zudem einige Sterne, die von der Erde aus deutlich heller erschienen als Sirius heute. So erreichte Adhara (ε Canis Majoris) vor knapp fünf Millionen Jahren eine scheinbare Helligkeit von beinahe −4 mag, vergleichbar dem Planeten Venus.
Die folgende Liste aus dem Jahr 1998 enthält die von der Erde aus gesehen hellsten Sterne innerhalb der letzten und der nächsten fünf Millionen Jahre.[1] Durch eine Auswertung der neuen Gaia Satellitendaten wurde später entdeckt, dass Gliese 710 in 1,35 Millionen Jahren wahrscheinlich eine Helligkeit von −2,7 mag erreichen wird und damit zu diesem Zeitpunkt der hellste Stern von der Erde aus betrachtet sein wird.[2]
↑Filip Berski, Piotr A. Dybczyński: Gliese 710 will pass the Sun even closer. In: Astronomy and Astrophysics. 2016, Band 595, S. L10 doi:10.1051/0004-6361/201629835